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Ein wildes Herz

Ein wildes Herz

Titel: Ein wildes Herz
Autoren: Robert Goolrick
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herum, damit sie frisch aussahen, wie gerade erst geschnitten. Will versuchte, am Ende des Tages nicht allzu viel übrig zu haben, doch was tatsächlich nicht verkauft wurde, richtete Charlie so her, dass es picobello aussah.
    Wenn die anderen Läden öffneten, rollte Charlie den Schlauch ab, der seitlich am Gebäude angebracht war, und spritzte damit den Gehsteig sauber, sodass das Backsteinpflaster nicht mehr staubig rosa, sondern tief blutrot aussah und in der Sonne zu Altrosa trocknen konnte, die gleiche Farbe wie die meisten Häuser, die die Straßen der Stadt säumten.
    Wenn Will da war, immer in Begleitung des Jungen, brachte er Charlie ein Sandwich mit Rührei und ein paar frisch gebrutzelten Speckstreifen mit, das er in Wachspapier gewickelt hatte, und Charlie setzte sich auf den einzigen Stuhl des Ladens und verzehrte sein Frühstück, während Will das Kassenbuch überprüfte, im Schlachthof anrief, das Geld in der Kasse zählte. Wobei er manchmal eine große Rolle Geldscheine aus seiner eigenen Tasche zog und entweder etwas aus der Kasse hinzufügte oder den Inhalt der Kasse mit Geld aus seiner privaten Börse aufstockte. Dann füllte er ein Einzahlungsformular für die Bank aus, ging über die Straße und ließ Charlie in aller Ruhe sein Frühstück beenden, während der Junge auf dem Boden saß, immer noch in seiner sommerlichen kurzen Hose und T-Shirt, und Gesichter in die Sägespäne zeichnete.
    Jeden Morgen brachte Will zwei strahlend weiße Metzgerschürzen mit  – er sagte, es gäbe keine Blutflecken, die Alma nicht herausbekäme  –, und Charlie zog seine Schürze
an, wenn Will von der Bank zurückkam, die Türglocke bimmelte und die ersten Kunden eintraten.
    Zuerst kamen die schwarzen Frauen, von der Neunzehnjährigen bis zu alten Damen mit Achtzig, in ihren dünnen Kleidern, die nach Handseife und galvanisierten Waschbrettern rochen, als wollten sie ihre Einkäufe möglichst früh erledigen, bevor die weißen Frauen ihre Häuser verließen. Manchmal machten die schwarzen Frauen auch Besorgungen für die weißen Damen, für die sie arbeiteten. Selten kamen sie allein, sondern meistens mit einer Freundin, Cousine oder Tante, und an manchen Tagen standen sie auch alle auf einmal an der Tür, noch bevor der abgespritzte Gehsteig getrocknet war, und waren ebenso schnell wieder verschwunden, die säuberlich eingewickelten Fleischpäckchen in der Hand. Manchmal hatten sie ihre Kinder dabei, Kinder, die Sam anstarrten, aber weder mit ihm sprachen noch ihn grüßten.
    Sie kauften so viel wie die weißen Frauen, wenn nicht mehr, und Charlie brachte ihnen allen den gleichen Respekt entgegen, obwohl er keine Einzige mit Namen kannte und sie auch ihn nicht fragten, wie er hieß.
    Er blickte auf ihre Hände, schaute, ob sie Eheringe trugen, und sprach sie dementsprechend mit »Miss« oder »Ma’am« an. Nie lächelten sie, und er lächelte nie zurück, sondern schaute sie nur mit seinen aufrichtigen Augen an und schenkte der kurzen Begegnung am Ladentisch den gleichen Ernst wie sie, während er zusah, wie die Frauen bei Will bezahlten, manchmal mit Scheinen, manchmal auch in Münzen.
    Gewöhnlich waren die schwarzen Kundinnen weg, sobald die ersten weißen Frauen kamen, und wenn nicht, dann senkten sie den Blick und verließen rasch den Laden.
    Die Damen der Stadt kamen und fächelten sich mit den
Papierfächern aus dem Beerdigungsinstitut oder der Methodisten-Kirche Luft zu. Man hätte nicht sagen können, dass es mehr Kundinnen gab, seit Charlie begonnen hatte, in der Metzgerei zu arbeiten, da praktisch alle Frauen in der Stadt hier zur Kundschaft gehörten, zusammen mit den wenigen alleinstehenden Männern. Doch ihre Besuche waren ein wenig zu einem gesellschaftlichen Ereignis geworden, denn sie kauften meistens nur noch für den Tag selbst ein oder für das Mittagessen, damit sie gleich am nächsten Tag oder sogar am späten Nachmittag noch einmal einkaufen konnten. Mittlerweile besaßen die meisten Frauen elektrische Kühlschränke und hätten auch nur ein Mal pro Woche einkaufen können, doch so war es ihnen lieber. Nur einige wenige, die meisten von ihnen schwarz, hatten noch Eisboxen. Und es gab noch immer einen Eismann, der alle zwei Tage seine immer kürzer werdende Runde durch die Stadt machte und vor jedem Haus seiner Kundschaft mit einer Zange einen großen Eisblock aus seinem Lastwagen wuchtete, und wenn er aus der eisigen Kälte in seinem Wagen heraustrat, bildeten sich auf seinem Hemd
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