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Ein verzauberter Sommer: Roman (German Edition)

Ein verzauberter Sommer: Roman (German Edition)

Titel: Ein verzauberter Sommer: Roman (German Edition)
Autoren: Juliet Hall
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Zweimal ertappte sie ihn dabei, wie er sie ansah, statt zu lesen, und einmal lächelte er.
    Dann kam der Tag, an dem kein Tisch mehr frei war und er mit einem Cappuccino, einem getoasteten panino und einem entschuldigenden Lächeln an ihrem Tisch auftauchte. »Darf ich mich setzen? Ich störe Sie auch nicht.«
    Das tat er dann aber doch. Ziemlich bald tauschten sie Anekdoten über ihre Arbeit aus. Robin war bei der Finanzgesellschaft tätig, die zwei Gebäude neben den Wasserwerken in der Saviour Street residierte – nein, keine Ahnung, warum die Straße »Heiland« heißt. Sie erzählten einander auch von ihren Kindern. Er hatte zwei, Lydia und Lionel – seine Tochter war an der Uni, und sein Sohn würde das Studium nächstes Jahr aufnehmen. Lionel war sogar genauso alt wie Ginny.
    Seine Frau erwähnte er nicht, nicht an diesem Tag. Aber er schlug ein weiteres Treffen zum Mittagessen vor (weil wir so viel gemeinsam haben, nicht nur panini und dieses Café) , und zwar am kommenden Freitag, dieses Mal in dem Pub weiter unten an der Straße. Warum eigentlich nicht, hatte Tess gedacht. Sie hatte seine Gesellschaft genossen. Und es war nur ein Mittagessen.
    Tess sah zu, wie die Raucher ihre Stummel auf den Boden warfen und austraten. Immer noch plaudernd, verschwanden sie durch die gläsernen Schwingtüren, und sie war wieder allein. Erneut sah sie auf die Uhr. Sie sollte hineingehen. Aber das hier war wichtig. Vielleicht war es das, worauf sie schon so lange wartete.
    »Hmmm …«, sagte er.
    Ich werde mein Bestes tun , würde er sagen. Das sagte er nämlich immer, wenn sie vorschlug, ins Konzert oder ins Theater zu gehen oder anderswo zu essen als in ihrer Wohnung. Und dann folgte immer das Gleiche: Ich habe es versucht, aber es ist schwierig, Süße. Helen stellt so viele unangenehme Fragen, und ich will sie nicht anlügen.
    Mit der Fingerspitze wischte Tess Wasser von einer knospenden Hortensie. Vorhin hatte es geregnet, ein plötzlicher Wetterumschwung, ein verirrter Schauer, der fast schon vorüber war, ehe er begonnen hatte, ein kurzer Spülgang des Himmels.
    Nach dem Treffen im Pub hatte er vorgeschlagen, einmal abends nach der Arbeit etwas trinken zu gehen, und nach dem Drink hatte er sie geküsst. Einige Zeit später hatte sie für ihn gekocht: Hühnchen mit Pistazien. Sie war nicht umsonst die Tochter ihrer Mutter. Er hatte sie auf der Couch verführt, denn Ginny übernachtete bei einer Freundin. Anschließend hatte er ihr erklärt, er sei verheiratet.
    Zu diesem Zeitpunkt war sie schon halb in ihn verliebt. Er hatte sich heimlich in ihr Herz gestohlen. Es war ein altes Klischee, aber sie hätte nicht mehr zurückgekonnt, selbst wenn sie es gewollt hätte.
    Aber dieses Mal, während sie sich den Türen des Wasserwerks näherte und sich widerwillig anschickte, wieder in die Arbeitswelt einzutauchen, reagierte er anders. »Warum nicht?«, fragte er. »Warum sollte ich nicht mit dir nach Sizilien fliegen? Das ist so großartig. Und du hast es verdient, Süße, wirklich verdient.«
    Allerdings, dachte Tess ziemlich erstaunt. Das habe ich verdammt noch mal verdient. Mir steht ein größeres Stück von dir zu.
    Sie grinste wie eine Idiotin, als sie das Handy wieder in die Handtasche gleiten ließ. Sie stürmte in das Gebäude und stürzte in den Aufzug. Drückte auf »5«. Es würde wirklich passieren. Sie hatte eine Villa in Sizilien geerbt. Und sie würde hinfliegen. Mit Robin. Ihr Lächeln verblasste, als der Lift »pling« machte und die Türen aufglitten. Jetzt musste sie die Neuigkeiten nur noch Muma beibringen.

3. Kapitel
    D as verstehe ich nicht.« Schwer ließ sich Flavia auf den Stuhl sinken. Sie hatte immer so viel Energie gehabt, aber mittlerweile gaben ihre Beine manchmal ohne Vorwarnung nach, und es machte ihr Angst, dass sie sich so schwach fühlte. Sie wurde alt, natürlich. Tatsächlich war sie zweiundachtzig. Sie fand, das war ein lächerliches Alter, weil sie sich nämlich nicht alt fühlte. Und genau deshalb gefiel es ihr auch nicht, dass sie sich an manches nur mit Mühe erinnern konnte. Für sie musste immer alles klar und eindeutig sein.
    Flavia versuchte, ihre Gedanken zu ordnen, aber es fiel ihr nicht leicht, weil Tess sie mit diesem ihr eigenen forschenden Blick ansah.
    Bewusst atmete sie ruhiger. Edward Westerman war also tot. An und für sich war das nicht erstaunlich. Er musste weit über neunzig gewesen sein. Er war der Letzte gewesen. Zuerst war Mama gestorben, dann Papa und dann,
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