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Ein verhängnisvolles Versprechen

Ein verhängnisvolles Versprechen

Titel: Ein verhängnisvolles Versprechen
Autoren: H Coben
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hier war, habe ich was von Ihnen gelernt«, sagte Myron.
    »Und was?«
    »Wir haben uns über die anständigen Patienten unterhalten, wissen Sie noch? Über reine und sündige Menschen. Sie haben ehrlich zugegeben, dass Sie lieber mit den Menschen arbeiten, die es verdient haben.«
    »Das ist vollkommen richtig«, sagte sie. »Aber ich habe auch einen Eid abgelegt und behandle auch die Menschen, die ich nicht mag.«
    »Ja, ich weiß. Aber Sie haben mich zum Nachdenken gebracht.
Weil ich der gleichen Ansicht war. Ich wollte Aimee Biel helfen, weil ich dachte, sie wäre … Ich weiß nicht.«
    »Unschuldig?«, fragte Skylar.
    »Ich glaub schon.«
    »Aber dann ist Ihnen klar geworden, dass sie das nicht ist.«
    »Mehr noch«, sagte Myron. »Mir ist klar geworden, dass Sie Unrecht haben.«
    »In welcher Beziehung?«
    »Wir dürfen die Leute nicht so abstempeln. Sonst werden wir zynisch und gehen immer vom Schlimmsten aus. Und wenn wir das tun, fangen wir an, nur noch die dunklen Seiten zu sehen. Wissen Sie, dass Aimee Biel wieder zu Hause ist?«
    »Das habe ich gehört, ja.«
    »Alle glauben, sie wäre ausgerissen.«
    »Auch das habe ich gehört.«
    »Deshalb hört ihr auch niemand richtig zu. Die Leute achten einfach nicht darauf, was sie erzählt. Wissen Sie, als die Vermutung aufkam, dass Aimee ausgerissen sein könnte, hat sie ihren Status als Unschuldige verloren. Selbst ihre Eltern glauben ihr nicht. Natürlich wollen sie ihr Bestes. Und jetzt sind sie so sehr damit beschäftigt, ihre Tochter zu beschützen, dass auch sie die Wahrheit nicht erkennen.«
    »Und was ist die Wahrheit?«
    »Man ist so lange unschuldig, bis die Schuld gegen jeden berechtigten Zweifel bewiesen ist. Das gilt nicht nur im Gerichtssaal.«
    Edna Skylar sah umständlich auf die Uhr. »Ich glaube, ich begreife nicht, worauf Sie hinauswollen.«
    »Ich habe Aimee vertraut, seit sie auf der Welt ist. Hatte ich Unrecht? War das eine Lüge? Aber natürlich ist es auch so, wie ihre Eltern es gesagt haben, dass es nicht meine, sondern ihre Aufgabe ist, ihre Tochter zu beschützen. Also konnte ich etwas unvoreingenommener an die Sache herangehen. Ich konnte das Risiko eingehen, nach der Wahrheit zu suchen. Also habe ich gewartet,
bis ich Aimee endlich einmal allein erwischt habe. Dann habe ich sie gebeten, mir die ganze Geschichte zu erzählen. Die eine Version war doch zu löchrig – die, nach der sie ausgerissen war und womöglich auch noch ihren Liebhaber ermordet hatte. Dagegen sprach unter anderem die Auswahl des Geldautomaten und auch der Anruf vom Münztelefon. Ich wollte nicht einfach alles unter den Tisch fallen lassen und ihr helfen, das zu vergessen und ihr Leben fortzusetzen, als wäre nichts passiert. Also habe ich mit Aimee gesprochen. Ich habe daran gedacht, wie sehr ich sie geliebt habe und wie wichtig sie mir war. Und dann habe ich etwas ganz Seltsames getan.«
    »Was?«
    »Ich bin einfach mal davon ausgegangen, dass Aimee die Wahrheit sagt. Und das brachte mir zwei Erkenntnisse. Erstens, dass sie von einer Frau entführt worden ist. Und zweitens, dass die Entführerin gewusst hat, dass Katie Rochester den Geldautomaten an der 52nd Street benutzt hat. Und das passte nur auf drei Menschen. Auf Katie Rochester, aber die war’s nicht. Auf Loren Muse. Niemals. Und auf Sie.«
    »Auf mich?« Edna Skylar blinzelte. »Ist das Ihr Ernst?«
    »Erinnern Sie sich noch, dass ich Sie angerufen und gebeten habe, in Aimees Krankenakte zu schauen?«, fragte Myron. »Um festzustellen, ob sie schwanger ist?«
    Wieder sah Edna Skylar auf die Uhr. »Ich habe dafür jetzt wirklich keine Zeit.«
    »Da habe ich noch gesagt, es ginge nicht um einen Unschuldigen, sondern um zwei.«
    »Und?«
    »Bevor ich Sie angerufen habe, hatte ich Ihren Mann um den gleichen Gefallen gebeten. Weil er auf der gynäkologischen Station arbeitet. Ich dachte, für ihn wäre es einfacher. Aber er hat es mir abgeschlagen.«
    »Was Regeln angeht, nimmt Stanley es immer ganz genau«, sagte Edna Skylar.

    »Ich weiß. Dabei hat er mir aber etwas Interessantes gesagt. Er hat erzählt, dass seit Verabschiedung der neuen HIPAA-Gesetze immer ein Vermerk gemacht wird, wenn sich jemand eine Akte ansieht. Man sieht den Namen des Arztes, der in die Akte geschaut hat, das Datum und die Uhrzeit.«
    »Das stimmt.«
    »Also habe ich Aimees Akte überprüfen lassen. Raten Sie mal, was dabei rausgekommen ist.«
    Ihr Lächeln wurde schwächer.
    »Sie, Dr. Skylar, haben sich die Akte schon zwei
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