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Ein verhängnisvoller Auftrag Meisterspionin Mary Quinn I

Ein verhängnisvoller Auftrag Meisterspionin Mary Quinn I

Titel: Ein verhängnisvoller Auftrag Meisterspionin Mary Quinn I
Autoren: Y.S. Lee
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Möglichkeit.«
    »Ich hasse es, angestarrt zu werden. Dauernd fragen mich die Leute, ob ich aus dem Ausland komme, weil ich keine gelben Haare und keine runden blauen Augen habe.«
    »Genau das meine ich ja: Ungewöhnliches Aussehen ist manchmal besser, als einfach nur hübsch zu sein.«
    Was für eine unsinnige Aussage. Und was wollte Mrs Frame eigentlich andeuten, indem sie von ihrem »exotischen« Aussehen sprach? Vermutete sie etwa   …? Mary versuchte verzweifelt, sich verständlich auszudrücken. »Außerdem ist eine Geliebte genauso abhängig wie eine Ehefrau.« Kaum hatte sie das ausgesprochen, als ihr einfiel, dass sie von Gerüchten gehört hatte: von lange zurückliegenden Dingen aus Mrs Frames eigener schillernder Geschichte   … Aberes war zu spät, um einen Rückzieher zu machen. Falls sie das gewollt hätte.
    Felicity Frame zog eine Augenbraue hoch. »Du hast dir die Philosophie unserer Schule gut zu eigen gemacht, Mary. Wir wollen unsere Mädchen nicht ermutigen, ihr Leben von den Launen der Männer abhängig zu machen.«
    Nun mischte sich Anne Treleaven wieder ein. »Sehr gut. Das ist also dein Standpunkt. Nun erzähle uns mal über dein früheres Leben und deine Familie.« Sie lächelte, als sie Marys überraschten Ausdruck sah. »Wir kennen die Einzelheiten ja, aber ich würde sie gerne noch mal von dir hören.«
    Nun war also ihre Sicht der Dinge gefragt   … »Ich bin in Poplar im Osten von London geboren«, fing sie an. Sie sprach langsam und wählte ihre Worte sorgfältig. Konnte sie Miss Treleaven und Mrs Frame die ganze Wahrheit ihrer Vergangenheit anvertrauen? Alles über ihre Familie? Wie würden sie reagieren? Sie waren doch der Ansicht, dass sie schon alles über sie wüssten   …
    »Alles in Ordnung?«, fragte Mrs Frame.
    Mary blinzelte verblüfft. Sie hatte nicht gemerkt, dass sie verstummt war. »Ja, ja, natürlich.« Sie holte tief Luft und zwang sich, fortzufahren. »Mein Vater war Seemann bei der Handelsmarine und meine Mutter eine irischstämmige Näherin. Obwohl mein Vater oft auf See war, kann ich mich erinnern, dass meine Eltern glücklich waren. Ihr einziger echter Kummer war, dass meine zwei jüngeren Brüder beideschon als Kleinkinder starben.« Sie unterbrach sich und schluckte heftig. »Als ich sieben oder acht war, ging das Schiff, auf dem mein Vater segelte, unter. Es hieß, die ganze Mannschaft sei ertrunken. Durch den Schock und den Kummer wurde meine Mutter so krank, dass sie ihre Stelle als Näherin verlor. Zu dem Zeitpunkt erwartete sie wieder ein Kind, das sie aber auch verlor.
    Als es ihr wieder ein bisschen besser ging, versuchte sie, Einzelaufträge zu bekommen, damit sie zu Hause arbeiten könnte. Aber dafür gab es fast kein Geld. Dann versuchte sie sich als Putzfrau   – für zwei Pennys pro Tag. Es reichte nicht für uns beide.« Marys Stimme war jetzt unbeteiligt und tonlos. »Mutter sorgte sich nicht um sich selbst, aber sie musste ja auf mich Rücksicht nehmen. Bald blieb ihr keine Wahl: Sie wurde Prostituierte. Spätabends, wenn sie dachte, dass ich schlief, brachte sie Männer mit in unsere Wohnung. Da habe ich das Klauen gelernt. Die Männer sind manchmal eingeschlafen und dann hab ich Kleingeld aus ihren Taschen geklaut.« Sie holte erneut tief Luft und sah die beiden Frauen trotzig an. »Es war nicht sehr viel; Scheine habe ich nie genommen   – nur Münzen. Ich hab wohl gedacht   …« Sie schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, was ich gedacht habe.
    Es ist immer wieder die gleiche Geschichte, nehme ich an. Mutter wurde bald krank. Wir hatten nicht genug Geld für die Arznei aus der Apotheke und die Nachbarn mieden uns. Ich weiß nur, dass wir, selbstmit dem, was ich stehlen konnte, nicht genug zum Leben hatten.« Sie verstummte. »An die Zeit unmittelbar nach Mutters Tod erinnere ich mich kaum. Ein paar Monate später war ich eine geübte Taschendiebin, dann hat mir noch jemand beigebracht, wie man Schlösser aufbricht. Ich hab mich als Junge verkleidet; so war es einfacher und sicherer.
    Eine Zeit lang war ich ganz gut als Einbrecherin. Dann fing ich an, größere Risiken einzugehen, genau genommen unkluge Risiken, und ich war nicht besonders verwundert, als ich geschnappt wurde. Mir ist es höchstens ein Rätsel, warum man mich nicht früher erwischt hat. Den Rest kennen Sie   – dass ich zum Tode verurteilt wurde.« Mary warf Miss Treleaven und Mrs Frame einen dankbaren Blick zu. »Sie haben mich gerettet.«
    Eine Minute blieben
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