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Ein Vampir fuer alle Sinne

Ein Vampir fuer alle Sinne

Titel: Ein Vampir fuer alle Sinne
Autoren: Lynsay Sands
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konzentrierte sich auf Pauls Hinterkopf, während sie gleichzeitig versuchte, das Gefühl von Neid zu ignorieren, das bei ihr erwacht war. Die Verbindung zwischen dem Entführer und seiner Tochter war von einer Art, wie sie zu ihrem eigenen Vater nie bestanden hatte. Ihre Mutter war gestorben, als sie selbst noch ein Baby gewesen war, und die Umstände hatten Armand Argeneau gezwungen, sie zu ihrer Tante Marguerite zu geben. Auf diese Weise hatte er dafür sorgen wollen, dass sie in Sicherheit war, was ihr heute klar war und sie mittlerweile auch zu schätzen wusste. Als Kind dagegen hatte sie dafür überhaupt kein Verständnis aufbringen können. Da war es nur so gewesen, dass ihre Tante sie mit Liebe und Aufmerksamkeit überhäuft hatte und dass ihre Brüder – die beide deutlich älter waren als sie – zu Besuch gekommen waren und sich rührend um sie gekümmert hatten. Aber eigene Eltern hatte sie nie gehabt, und deshalb hatte sie sich danach mehr als nach allem anderen gesehnt.
    Aber sie verdrängte diese Gedanken rasch wieder und schloss die Augen, dann ließ sie Revue passieren, was sie in Erfahrung gebracht hatte. Livy war an Krebs erkrankt und würde bald sterben. Das Wort Krebs war ihr im Verstand des Kindes untergekommen, das mit dem Begriff an sich nichts anfangen konnte, aber wusste, dass es etwas mit den starken Kopfschmerzen zu tun hatte. Jeanne Louise konnte nur mutmaßen, dass es um einen Hirntumor ging, denn ebenso konnte die Krankheit anderswo ausgebrochen sein und Metastasen gebildet haben. Fest stand dagegen, dass sich Livy damit abgefunden hatte, in den Himmel zu kommen, ganz im Gegensatz zu ihrem Vater. Ihre Vermutung war, dass Livy der Grund für ihre Entführung war. Nicht Paul Jones wollte von ihr gewandelt werden, sondern seine Tochter, damit ihr Leben gerettet wurde.
    Aber mehr als eine Vermutung war es auch wieder nicht, da sie die Gedanken des Vaters nicht gelesen hatte, als der den Raum verließ. Sie hatte rein gar nichts gelesen, wenngleich sie es versucht hatte, genauso wie sie versucht hatte, in seine Gedanken einzudringen, nicht zuletzt, um die Kontrolle über ihn zu erlangen … was ebenfalls fehlgeschlagen war. Es war so, als wäre sie an einer Wand abgeprallt.
    Sie hätte sich gern eingeredet, dass es an dem Betäubungsmittel lag, das immer noch nachwirkte, doch es war ihr möglich gewesen, Livys Gedanken völlig mühelos zu lesen, obwohl sie vermutlich einen Hirntumor hatte, was das Lesen oftmals erschwerte. Da ihr aber das gelungen war, konnte sie sich ziemlich sicher sein, dass die Nanos auch die letzten Reste des Medikaments aus ihrem Körper getilgt hatten.
    Was für sie wiederum bedeutete, dass sie Paul Jones nicht lesen konnte. Das war gar nicht gut. Nicht nur, weil es für sie hieß, dass sie nicht die Kontrolle über ihn erlangen konnte – was nötig gewesen wäre, damit er sie von ihren Ketten befreite und gehen ließ. Dass sie gefesselt war, stellte in diesem Augenblick das kleinste Problem dar. Paul nicht lesen zu können bedeutete hingegen für sie, dass er ein möglicher Lebensgefährte war.
    »Lieber Gott«, flüsterte sie, schlug die Augen auf und starrte die Decke an, während das Wort »Lebensgefährte« in ihrem Kopf widerhallte. Ein Lebensgefährte. Jemand, den sie weder lesen noch kontrollieren konnte und der sie im Gegenzug auch nicht lesen oder kontrollieren konnte. Jemand, in dessen Gegenwart sie sich entspannen und mit dem sie ein langes Leben gemeinsam verbringen konnte. Eine Oase der Ruhe und der Leidenschaft in einer völlig verrückten Welt. So etwas wollte jeder Unsterbliche haben, und Jeanne Louise hatte sich ihr Leben lang danach gesehnt.
    Als Teenager hatte sie sich von dem Traum verabschiedet, liebevolle Eltern zu haben, stattdessen hatte sie begonnen, von einem Lebensgefährten und von einem Haus voller Kinder zu träumen, denen sie die elterliche Liebe schenken konnte, auf die sie selbst hatte verzichten müssen. Unzählige Stunden hatte sie damit verbracht, sich ihren Lebensgefährten vorzustellen. Würde er dunkelhaarig oder blond sein? So groß wie sie oder größer? Oder vielleicht kleiner? Würde er gut aussehend und stark sein? So an den Wissenschaften interessiert sein wie sie oder eher künstlerisch veranlagt? Ein Sterblicher oder ein Unsterblicher?
    Jetzt hatte sie die Antwort. Zumindest sah es danach aus. Wenn sie sich nicht irrte, dann war Paul ihr Lebensgefährte. Was sein Aussehen anging, gab es auf jeden Fall keinen Grund
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