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Ein Vampir fuer alle Sinne

Ein Vampir fuer alle Sinne

Titel: Ein Vampir fuer alle Sinne
Autoren: Lynsay Sands
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dabei fühlte er mit einer Hand unter den Teller, ob das Essen noch warm war. Es war erstaunlich warm, und es sah so appetitlich aus, dass er Hunger bekam. Er konnte nur hoffen, dass Livy das auch dachte, aber er rechnete eher mit dem Gegenteil. Nichts schien inzwischen noch ihren Appetit zu wecken.
    »Daddy?«
    Als er das leise Rufen hörte, setzte er ein gezwungenes Lächeln auf und ging quer durch das in Rosa gehaltene Schlafzimmer in Richtung Himmelbett, in dem das schmale blonde Mädchen inmitten von weichen Kissen und dicken Decken fast verschwand. »Ja, mein Schatz, ich bin hier.«
    »Mrs Stuart hat gesagt, dass du letzte Nacht zur Arbeit gefahren bist«, sagte die Kleine mit verletzter Miene.
    »Ja, aber nur für kurze Zeit. Außerdem bin ich jetzt ja wieder da«, erwiderte er leise. Es wunderte ihn nicht, dass sie Bescheid wusste. Er war mit Jeanne Louises Wagen zu dem glücklicherweise menschenleeren Parkplatz gefahren, auf dem sein eigenes Auto stand, mit dem er die Frau dann zu sich nach Hause gebracht hatte. Von der Garage aus hatte er sie direkt in den Keller getragen und angekettet, erst dann war er auf die Suche nach der Babysitterin gegangen.
    Mrs Stuart hatte ihm berichtet, dass Livy eine schlimme Nacht hinter sich hatte, was ihn zwar traurig stimmte, aber nicht überraschte. In letzter Zeit war fast jede Nacht für sie eine Strapaze gewesen. Aber nicht mehr lange, sagte er sich und hielt den Teller ein wenig schräg, damit sie sehen konnte, was darauf war. »Hast du Hunger?«
    »Nein«, sagte sie mit matter Stimme und drehte den Kopf weg.
    Paul zögerte, dann redete er sanft auf sie ein: »Herzchen, du musst was essen, damit du bei Kräften bleibst und wieder gesund werden kannst.«
    »Mrs Stuart hat gesagt, dass ich nicht wieder gesund werde. Und dass Gott …« Sie zog die Brauen zusammen, als versuche sie sich an den genauen Wortlaut zu erinnern. »… dass Gott mich zu sich holen wird. Sie hat gesagt, wenn ich sehr brav bin und er mich mag, dann darf ich auch Mommy sehen. Aber sie meint, dass das nicht klappen wird, weil ich nicht lieb bin und immer weine. Meinst du, Gott mag mich, auch wenn ich weine?«
    Paul stand wie erstarrt da. Alles Blut schien ihm aus dem Kopf gewichen zu sein, sodass er zu keiner Handlung und keinem klaren Gedanken fähig war. Sein Gehirn hatte genug damit zu tun, zu verarbeiten, was Livy soeben gesagt hatte. Dann jedoch wurde das Blut zurück in den Kopf gepumpt und brachte einen rasenden Zorn mit sich.
    Er sagte kein Wort, das Risiko war einfach zu groß. Die Beschimpfungen, die ihm auf der Zunge lagen, waren für Kinderohren eindeutig nicht geeignet. Nachdem er einen Moment mit sich gerungen hatte, brachte er nur ein knappes »Ja« heraus, dann machte er kehrt und ging nach unten in die Küche. Jede seiner Bewegungen wirkte abgehackt und ungelenk, während er das restliche Essen in den Abfalleimer kippte. Als er zum Spülbecken ging, hielt er den Teller aber nicht unter den Wasserhahn, sondern zerschlug ihn auf der Kante der Spüle. Ihm war gar nicht bewusst, was er da tat, und er bemerkte auch nur beiläufig, dass ihn der eine oder andere Splitter am Hals und im Gesicht traf.
    Diese widerwärtige alte Schnepfe. Er hätte nie zulassen dürfen, dass Mrs Stuart auf Livy aufpasst. Ihm war klar gewesen, dass sie sich nicht davon abhalten lassen würde, anderen Menschen ihre Bibel um die Ohren zu hauen, aber er hatte keine andere Wahl gehabt. Mrs Stuart war vor ihrer Pensionierung Krankenschwester gewesen, und er kannte niemanden sonst, der wusste, was zu tun war, falls es mit Livy irgendein Problem geben sollte. Aber er würde das alte Miststück nicht noch einmal in die Nähe seiner Tochter lassen. Wenn sie brav war, würde Gott sie vielleicht mögen? Aber nicht, wenn sie weinte? Verdammt noch mal, das Kind lag im Sterben, es wurde bei lebendigem Leib vom Krebs aufgefressen, es hielt Schmerzen aus, die er sich nicht mal ansatzweise vorstellen konnte. Man hatte ihm ein Schmerzmittel mitgegeben, das er Livy in der höchsten Dosierung geben sollte, doch es bewirkte so gut wie nichts. Die einzige andere Möglichkeit wäre die gewesen, sie im Krankenhaus bis zu ihrem Ende in ein künstliches Koma zu versetzen, aber dazu konnte er sich nicht durchringen. Er konnte nicht einfach zusehen, wie sie starb. Er wollte, dass sie geheilt wurde. Nur gab es nichts, was bis dahin ihre Schmerzen wirklich lindern konnte. Und dann stellte sich Mrs Stuart auch noch auf den Standpunkt, dass
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