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Ein Vampir für alle Fälle

Ein Vampir für alle Fälle

Titel: Ein Vampir für alle Fälle
Autoren: Charlaine Harris
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Abend«, tönte es leicht nasal, und ich sah von dem Weinglas auf, das ich gerade füllte. Sieh an, Tanya Grissom verpestete die Umgebung mit ihrer Anwesenheit und verbrauchte hier Atemluft, die bei fast jedem anderen eine bessere Verwendung gefunden hätte. Ihr Begleiter, Calvin, war nirgends zu sehen.
    »Hey, Tanya«, sagte Sam. »Wie geht's dir? Lange nicht gesehen.«
    »Ja, ich hatte in Mississippi ein paar Dinge zu regeln«, erwiderte Tanya. »Doch jetzt bin ich wieder einige Zeit hier und wollte mal hören, ob du vielleicht eine Halbtagshilfe brauchen kannst, Sam.«
    Ich presste die Lippen zusammen und hantierte geschäftig herum. Tanya trat näher an Sam heran, als eine ältere Dame mich um ein Glas Tonic mit Zitronenscheibe bat. Ich reichte es ihr so zackig, dass sie mich erstaunt ansah. Dann kümmerte ich mich um Sams nächsten Kunden. In Sams Gedanken las ich, dass er sich freute, Tanya zu sehen. Männer können richtige Dummköpfe sein, stimmt's? Aber um fair zu bleiben: Ich wusste ein paar Dinge über Tanya Grissom, die Sam nicht bekannt waren.
    Selah Pumphrey war die Nächste in der Schlange - was war ich heute nur für ein Glückspilz! Doch Bills Freundin wollte bloß eine Cola-Rum.
    »Gern«, sagte ich, hoffentlich nicht zu erleichtert, und begann den Drink zu mixen.
    »Ich habe ihn gehört«, flüsterte Selah plötzlich.
    »Wen gehört?«, fragte ich abgelenkt, weil ich unbedingt dem Gespräch zwischen Tanya und Sam folgen wollte - sowohl mit den Ohren als auch mit den Gedanken.
    »Ich habe gehört, was Bill vorhin zu Ihnen gesagt hat.« Als ich nicht antwortete, sprach sie weiter. »Ich bin ihm die Treppe hinauf nachgeschlichen.«
    »Dann weiß er, dass Sie ihm nachspioniert haben«, sagte ich abwesend und reichte ihr den Drink. Einen Moment lang starrte sie mich mit weit aufgerissenen Augen an - erschrocken, wütend? Dann stolzierte sie davon. Tja, wenn Blicke töten könnten, läge ich jetzt leblos am Boden.
    Tanya drehte sich von Sam weg, als wollte ihr Körper schon gehen, während ihr Geist noch mit meinem Boss redete. Schließlich kehrte sie zu ihrem Begleiter Calvin zurück. Während ich ihr nachsah, füllte sich mein Kopf mit düsteren Gedanken.
    »Na, das sind doch gute Neuigkeiten«, sagte Sam lächelnd. »Tanya steht uns eine Weile zur Verfügung.«
    Ich unterdrückte das Bedürfnis, ihm zu sagen, dass es kaum zu übersehen gewesen sei, wie sehr Tanya zur Verfügung stünde. »Oh, ja, prima«, erwiderte ich stattdessen. Es gab so viele Leute, die ich mochte. Warum waren ausgerechnet die beiden Frauen, die ich nun wirklich nicht leiden konnte, heute Abend auf dieser Hochzeit? Na, zumindest meine Füße jubelten fast vor Freude darüber, den zu kleinen High Heels entronnen zu sein.
    Ich lächelte, mixte Drinks, räumte leere Flaschen weg und ging zu Sams Pick-up, um Nachschub zu holen. Ich öffnete Bierflaschen, schenkte Wein ein und wischte verschüttete Getränke auf, bis ich mich wie ein Perpetuum mobile fühlte.
    Und dann kam ein ganzer Trupp Gäste auf einmal an die Bar: Glens Vampirkunden. Ich entkorkte eine Flasche Royalty Cuvée, ein Premium-Cuvée aus synthetischem Blut und echtem Blut von echten europäischen Adligen. Er musste natürlich kühl gelagert werden, und es war ein ganz besonders edler Tropfen, den Glen da extra für seine wichtigsten Kunden hatte heranschaffen lassen. (Der einzige Vampirdrink, der noch teurer war als Royalty Cuvée, war das nahezu pure Royalty, das nur eine Spur Konservierungsmittel enthielt.) Sam polierte die Weingläser noch mal nach, stellte sie in einer Reihe auf und bat mich einzuschenken. Ich war geradezu übervorsichtig, damit nur ja kein Tropfen danebenging. Dann reichte Sam jedem Gast persönlich sein Glas. Die Vampire, darunter auch Bill, ließen alle ein großzügiges Trinkgeld springen. Mit einem breiten Lächeln im Gesicht erhoben sie die Gläser und brachten einen Toast auf die Frischvermählten aus.
    Schon nach dem ersten Schluck der dunklen Flüssigkeit traten ihre Fangzähne hervor, ein untrügliches Zeichen ungetrübter Freude. Einige der menschlichen Hochzeitsgäste schienen sich etwas unwohl zu fühlen angesichts dieses Ausdrucks lustvollen Vergnügens, doch Glen stand freudig lächelnd daneben. Er wusste genug über Vampire, um keinem zur Begrüßung die Hand zu reichen. Mir fiel auf, dass die neue Mrs Vick sich nicht unter ihre untoten Gäste mischte, auch wenn sie einmal kurz mit einem angespannten Lächeln auf den Lippen zu ihnen
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