Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Vampir für alle Fälle

Ein Vampir für alle Fälle

Titel: Ein Vampir für alle Fälle
Autoren: Charlaine Harris
Vom Netzwerk:
Narben übersäten Hände baumelten herab. Remy war ein Mann, der wusste, was harte Arbeit war.
    Plötzlich war ein Geräusch an der Tür zu hören, und eine Frau kam herein, ohne vorher anzuklopfen. »Hey, Liebling!«, rief sie und lächelte Remy an. Als sie mich bemerkte, hielt sie inne, und ihr Lächeln schwand.
    »Kristen, das ist eine Verwandte meiner Exfrau«, sagte Remy ohne Hast oder Rechtfertigung in der Stimme.
    Kristen hatte langes braunes Haar und große braune Augen und war vielleicht fünfundzwanzig. Sie trug Khakihosen und ein Poloshirt mit einem Logo auf der Brust, eine lachende Ente mit dem Schriftzug »Jerry's Car Shop« darüber.
    »Freut mich, Sie kennenzulernen«, sagte Kristen nicht ganz aufrichtig. »Kristen Duchesne, Remys Freundin.«
    »Ganz meinerseits«, erwiderte ich, etwas aufrichtiger. »Sookie Stackhouse.«
    »Remy, du hast deinem Besuch ja gar nichts zu trinken angeboten! Sookie, möchten Sie eine Coke oder eine Sprite?«
    Sie wusste, was im Kühlschrank war. Ob sie wohl hier wohnte, fragte ich mich. Okay, das ging mich nichts an, solange sie gut zu Hadleys Sohn war.
    »Nein, danke«, sagte ich. »Ich muss sowieso gleich wieder los.« Etwas zu demonstrativ sah ich auf die Uhr. »Ich muss heute Abend noch arbeiten.«
    »Oh, wo denn?«, fragte Kristen. Jetzt wirkte sie schon entspannter.
    »Im Merlotte's. Das ist eine Bar in Bon Temps. Ungefähr achtzig Meilen entfernt von hier.«
    »Ach ja, dort kam deine Frau her.« Kristen sah Remy an.
    »Sookie hat leider eine schlechte Nachricht überbringen müssen«, sagte Remy und knetete die Finger, obwohl seine Stimme gelassen blieb. »Hadley ist tot.«
    Kristen atmete deutlich hörbar ein, doch sie musste ihre Äußerung für sich behalten, denn Hunter kam zurück ins Wohnzimmer geflitzt. »Daddy, ich hab Hände gewaschen!«, rief er, und sein Vater lächelte ihn an.
    »Sehr gut, mein Junge«, sagte er und wuschelte dem Jungen das dunkle Haar. »Sag hallo zu Kristen.«
    »Hey, Kristen«, sagte Hunter ohne viel Begeisterung.
    Ich stand auf. Wenn ich nur eine Visitenkarte hierlassen könnte, dachte ich. Es wirkte merkwürdig und auch falsch, einfach so zu gehen. Doch Kristens Anwesenheit war seltsam störend. Sie nahm Hunter auf den Arm und setzte ihn sich auf die Hüfte. Er war schon recht schwer für sie, doch sie wollte es ganz leicht und selbstverständlich erscheinen lassen. Sie mochte den kleinen Jungen, das konnte ich in ihren Gedanken lesen.
    »Kristen mag mich«, sagte Hunter, und ich sah ihn aufmerksam an.
    »Aber sicher.« Kristen lachte.
    Remy sah beunruhigt von Hunter zu mir, mit einer Miene, in der sich Sorge abzuzeichnen begann.
    Ich fragte mich, wie wir Hunter unsere Verwandtschaft erklären sollten. Mit Großcousinen konnten Kinder wenig anfangen. Und großzügig betrachtet, war ich im Grunde doch so etwas wie eine Tante für ihn.
    »Tante Sookie.« Hunter probierte die Wörter gleich aus. »Bist du meine Tante?«
    Ich holte tief Luft. Ja, das bin ich, Hunter, dachte ich.
    »Ich hatte noch nie eine Tante.«
    »Jetzt hast du eine«, sagte ich zu ihm und sah Remy an. In seinen Augen stand Angst. Er sprach es nicht aus, aber er wusste es.
    Irgendetwas musste ich noch zu ihm sagen, trotz Kristens Anwesenheit. Ich konnte ihre Verwirrung spüren. Ihr siebter Sinn sagte ihr, dass hier etwas vor sich ging, von dem sie nichts wusste. Aber um Kristen konnte ich mich jetzt nicht auch noch kümmern. Hier ging es allein um Hunter.
    »Sie werden mich brauchen«, sagte ich zu Remy »Wenn er ein bisschen älter ist, werden Sie mit mir reden wollen. Meine Nummer steht im Telefonbuch, und ich ziehe sicher nicht um. Verstehen Sie?«
    »Warum seid ihr auf einmal so ernst?«, fragte Kristen. »Was ist los?«
    »Keine Sorge, Kris«, sagte Remy sanft. »Familienkram eben.«
    Kristen setzte Hunter wieder ab. »Aha«, erwiderte sie im Ton einer Frau, die sehr wohl wusste, dass man ihr etwas verschwieg.
    »Stackhouse«, erinnerte ich Remy. »Warten Sie nicht zu lange, sonst fühlt er sich elend.«
    »Verstehe«, sagte Remy, der sich selbst ganz elend zu fühlen schien. Das verstand ich nur zu gut.
    »Ich muss wirklich los«, sagte ich noch mal, um Kristen zu beruhigen.
    »Tante Sookie, gehst du weg?«, fragte Hunter. Er wollte mich noch nicht umarmen, aber er dachte darüber nach. Er mochte mich. »Kommst du wieder?«
    »Bald einmal, Hunter«, sagte ich. »Vielleicht kommst du mich auch irgendwann mal mit deinem Daddy besuchen.«
    Ich schüttelte Kristen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher