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Ein Vampir für alle Fälle

Ein Vampir für alle Fälle

Titel: Ein Vampir für alle Fälle
Autoren: Charlaine Harris
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beendete. Schon wieder. Ich seufzte, fischte den Schlüsselbund aus der Handtasche und schloss die Haustür auf. Im Haus war es dunkel und still, und so leise wie möglich ging ich durchs Wohnzimmer und die Diele entlang. Ich schaltete meine Nachttischlampe an und machte mich bettfertig, bei geschlossenen Vorhängen, denn schon in wenigen Stunden würde die Morgensonne versuchen, mich zu wecken.
    War ich meinem Urgroßvater gegenüber undankbar gewesen? Als ich meine Worte noch einmal Revue passieren ließ, fragte ich mich, ob ich nicht zu fordernd und jammernd geklungen hatte. Aber man konnte es doch auch positiv sehen, dachte ich. Ich war eben aufgetreten wie eine Frau, die sich nicht unterkriegen lässt, mit der man sich besser nicht anlegt, wie eine Frau, die frei heraus ihre Meinung sagt.
    Bevor ich ins Bett ging, schaltete ich noch die Heizung ein. Octavia und Amelia hatten sich zwar bislang nicht beschwert, aber in den letzten Tagen war es morgens ziemlich kühl gewesen. Der Geruch abgestandener Luft, den die Heizung beim ersten Einschalten immer verströmte, füllte den Raum, und ich zog die Nase kraus, als ich mich unter die Bettdecke kuschelte. Doch dann lullte mich das monotone Heizkörpergeräusch in den Schlaf.
    Ich hatte die Stimmen schon einige Zeit wahrgenommen, ehe mir klar wurde, dass sie vom Flur kamen. Ich blinzelte, sah, dass es Tag war, schloss die Augen aber wieder. Noch ein bisschen schlafen. Die Stimmen verstummten nicht, jetzt stritten sie sogar direkt vor meiner Zimmertür. Ich öffnete ein Auge und spähte auf den Digitalwecker auf dem Nachttisch. Halb zehn. Herrje. Die Stimmen gaben einfach keine Ruhe. Widerwillig öffnete ich beide Augen gleichzeitig, registrierte, dass die Sonne nicht schien, setzte mich auf und schlug die Bettdecke zurück. Ich ging ans Fenster links vom Bett und sah hinaus. Draußen war es grau in grau. Und während ich dort stand, schlugen schon erste Regentropfen an die Scheibe. Einer dieser Tage eben.
    Ich ging ins Badezimmer, und als ich jetzt mit Geräuschen deutlich kundtat, dass ich aufgestanden war, wurden die Stimmen leiser. Ich stieß die Zimmertür auf und sah die beiden Hexen davor stehen, was keine allzu große Überraschung war.
    »Wir wussten nicht, ob wir Sie wecken sollten«, sagte Octavia. Sie wirkte besorgt.
    »Ich fand, das müssten wir, denn eine Botschaft aus magischer Quelle ist äußerst wichtig«, meinte Amelia. Das schien sie in den vergangenen Minuten schon mehrfach gesagt zu haben, wenn ich Octavias Miene richtig deutete.
    »Was für eine Botschaft?«, fragte ich. Auf den Streit der beiden wollte ich mich gar nicht erst einlassen.
    »Diese hier.« Octavia gab mir einen großen gelbbraunen Briefumschlag. Er war aus schwerem Papier wie eine sehr vornehme Hochzeitseinladung. Mein Name stand darauf. Keine Adresse, nur mein Name. Und der Umschlag war mit Wachs versiegelt. Das Siegel zeigte den Kopf eines Einhorns.
    »Ah ja.« Das war mal ein wirklich ungewöhnlicher Brief.
    Ich ging in die Küche, um mir einen Kaffee und ein Messer zu nehmen, in dieser Reihenfolge, die beiden Hexen im Schlepptau wie einen griechischen Chor. Als ich mir Kaffee eingeschenkt hatte und am Küchentisch saß, fuhr ich mit dem Messer unter dem Siegel entlang und löste es vorsichtig. Dann klappte ich den Falz hoch und zog eine Karte heraus, auf der eine von Hand geschriebene Adresse stand: 1245 Bienville Street, Red Ditch, Louisiana. Das war alles.
    »Was hat das zu bedeuten?«, fragte Octavia. Amelia und sie standen natürlich direkt hinter mir, damit sie auch alles gut sehen konnten.
    »Es ist die Adresse von jemanden, nach dem ich gesucht habe«, sagte ich, auch wenn das nicht ganz der Wahrheit entsprach.
    »Wo ist Red Ditch?«, fragte Octavia. »Davon habe ich noch nie gehört.« Amelia zog bereits die Landkarte von Louisiana aus dem Schubfach unter dem Telefon. Mit dem Finger ging sie die lange Liste von Ortsnamen durch, bis sie Red Ditch gefunden hatte.
    »Es ist gar nicht weit weg«, sagte sie. »Seht ihr?« Ihr Finger zeigte auf einen kleinen Punkt südöstlich von Bon Temps, der etwa anderthalb Fahrtstunden entfernt lag.
    Ich trank so schnell wie möglich meinen Kaffee aus und stieg in irgendwelche Jeans. Noch etwas Make-up und Haare kämmen, und schon lief ich mit der Landkarte in der Hand zu meinem Auto.
    Octavia und Amelia folgten mir bis nach draußen, weil sie furchtbar gern gewusst hätten, was ich vorhatte und wie wichtig die Botschaft für mich war.
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