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Ein unverbindliches Ja

Ein unverbindliches Ja

Titel: Ein unverbindliches Ja
Autoren: Katja Reuter
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entsprechend.
    Zum Beispiel hat ihm mein Julklappblümchen schwer imponiert. Immer am ersten Mai findet unser Familienjulklapp statt. Das war Mamas Idee. Sie sagt, es sei besser Blumen zu schenken, als Steine zu werfen. Die Verlosung ist stets eine Woche vorher. Jeder hat 5,– DM zur Verfügung, um dem ausgelosten Familienmitglied eine Pflanze zu kaufen. Bedingung ist dabei, dass die Blume zu dem Beschenkten passt, und genau das ist der Haken an der Sache. So bekommt meine Schwester von mir ein Fleißiges Lieschen, inspiriert durch den ihr sehr verhassten Spitznamen. Mama ist nach all den Streitereien mit Papa der Meinung, dass er nur einen Kaktus verdient hat, und weil sie immer einmal von seinem Pausenbrot abbeißt, bevor sie es in die Stullenbox legt, schenkt er ihr eine fleischfressende Pflanze, die Venusfliegenfalle. Doch es kommt noch schlimmer. Denn die Krönung halte ich in meinen Händen: eine Brennnessel im Blumentopf! Na vielen Dank auch.
    Nun gut. Zurück zu Annika. Wo steckt sie bloß? Eigentlich müsste sie im Esszimmer sein, um ihre Schulaufgaben zu erledigen. Denn seit ihrer letzten Eins in Mathe ist diese olle Streberin noch ehrgeiziger geworden. Letztens hat sie doch tatsächlich behauptet, dass ihr die Hausaufgaben Spaß machen. Dieser Spaß wird ihr schon noch vergehen, denn wozu gibt es Geschwister?
    Ich werde sie mal suchen gehen.
    »Annika!!! Aaannnika!!«
    Keine Antwort?! Hm.
    Zweiter (schriller bis keifender) Versuch: »Aaaanniiikaa!!!«
    Ich vernehme ein völlig genervtes: »Ja! Was ist denn jetzt schon wieder?«
    Mir ist das ›jetzt schon wieder‹ in ihrer Frage schleierhaft. Seit dem letzten Streit mit ihr sind doch bestimmt schon zehn Minuten vergangen. Ihrer Stimmlage nach zu urteilen ahnt unser ›Fleißiges Lieschen‹ bereits, dass ich sie ärgern will, aber egal. Jetzt weiß ich wenigstens, wo sie ist.
    Im Esszimmer angekommen, setze ich mich zu ihr an den Tisch und starre sie an.
    »Was willst du denn bloß hier, Mareike?«
    Ich antworte nicht und klaue ihr in einem unbeobachteten Moment den Tintenkiller, der neben ihrem Heft liegt. Nun heißt es sie nervös zu machen, und der Rest wird sich schon von selbst ergeben. Und richtig: Nach meinem für sie völlig unerwarteten, schrillen Aufschrei zuckt sie so sehr zusammen, dass ein langer Strich auf ihrem Blatt erscheint.
    »Mensch! Mareike!«, faucht sie, »musst du denn immer Unruhe stiften?«
    Bei dieser Wortwahl kann mir ja nur schlecht werden! Es ist so typisch, selbst wenn Annika wütend ist, drückt sie sich noch so gewählt aus.
    »Warum gehst du nicht spielen und lässt mich hier in Frieden?«
    Mit dem Tintenkiller in meinem Ärmel befolge ich ihren Rat und stapfe gut gelaunt davon.
    Kaum bin ich in unserem Kinderzimmer, höre ich Annika auch schon fluchen. Sie kommt in Windeseile zu mir gestürmt, um mich zur Rede zu stellen. »Rück den Killer raus!«
    Als ich eine provozierende Gleichgültigkeit an den Tag lege und keine Reaktion zeige, packt sie meine Schultern und schüttelt mich durch. Ich verpasse ihr einen Tritt, doch sie hat mich immer noch fest im Griff. Erst als ich sie in den Arm beiße, lässt der Druck an meinen Schultern nach. Sie wird wütend und haut mir auf den Rücken. Obwohl es nicht sonderlich wehgetan hat, ist es Grund genug für mich mein sirenenartiges Schreien einzusetzen.
    Auch diesmal lohnt es sich, auf Bestellung ganz herzzerreißend und bitterlich weinen zu können. Denn Papa kommt angerannt, verpasst Annika eine gewaltige Ohrfeige und verbietet ihr, sich nachmittags mit ihrem Schulfreund Axel zu treffen.
    Arme Annika!
    Ihr Alternativprogramm klingt auch nicht gerade verlockend, denn nun darf sie an unserem heutigen Familienausflug teilnehmen.
    Folgendes ist geplant: Wir wollen mit den Rädern zur Dampferanlegestelle Wannsee fahren. Von dort aus geht es mit dem Schiff weiter nach Kladow zu Tante Lydia und Onkel Fritz.
    Papa holt die Fahrräder aus dem Keller und Annika zieht ihr blau-weißes Sommerkleid an. Weil Mama es immer so entzückend findet, wenn Geschwister die gleiche Kleidung tragen, ist so ein Modell auch in meinem Schrank zu finden. Annika hasst es mit mir im Partner-Look aufzutreten, und genau aus diesem Grund ziehe auch ich dieses Kleid an. Demonstrativ stolziere ich an ihr vorbei, um mein Monchhichi-Mädchen-Kuscheltier zu holen und sie darauf hinzuweisen, dass Papa bereits unten wartet. Als sie mich in meinem wunderschönen blau-weißen Minikleid sieht, schreit sie mich an und
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