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Ein Universum aus Nichts - ... und warum da trotzdem etwas ist

Ein Universum aus Nichts - ... und warum da trotzdem etwas ist

Titel: Ein Universum aus Nichts - ... und warum da trotzdem etwas ist
Autoren: Lawrence M.Krauss
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Erwägung zog. Lemaître verfügte über eine bemerkenswerte Kombination von Fähigkeiten. Er begann seine Studien mit dem Fach Ingenieurswissenschaften, war im Ersten Weltkrieg ein hochdekorierter Artillerist und wandte sich dann der Mathematik zu, während er Anfang der 1920er Jahre für das Priesteramt studierte. Dann befasste er sich mit Kosmologie und studierte zunächst bei dem berühmten britischen Astrophysiker Sir Arthur Stanley Eddington, ehe er nach Harvard ging und schließlich vom Massachusetts Institute of Technology ( MIT ) einen zweiten Doktortitel in Physik erhielt.
    Ehe Lemaître 1927 seinen zweiten Doktortitel bekam, hatte er Einsteins Gleichungen für die Allgemeine Relativität gelöst und gezeigt, dass die Theorie ein nicht statisches Universum vorhersagt und tatsächlich nahelegt, dass das Universum, in dem wir leben, expandiert. Diese Feststellung erschien so ungeheuerlich, dass Einstein selbst energisch einwandte: »Ihre Mathematik ist korrekt, doch Ihre Physik ist abscheulich.«
    Lemaître machte dennoch weiter – 1930 ging er außerdem davon aus, unser expandierendes Universum habe eigentlich als unendlich kleiner Punkt begonnen, den er als »Uratom« bezeichnete, wobei dieser Anfang »ein Tag ohne Gestern« sei (was vielleicht als Anspielung auf die Schöpfungsgeschichte gemeint war).
    Die Vorstellung eines Urknalls, die Papst Pius so laut verkündete, war also zuerst von einem Priester entwickelt worden. Man könnte vielleicht annehmen, dass Lemaître über diese päpstliche Einschätzung begeistert war, doch er selbst hatte die Idee schon aufgegeben, dass diese wissenschaftliche Theorie theologische Konsequenzen haben könnte, und im Entwurf seines 1931 erschienenen Aufsatzes über den Urknall einen Absatz zu dieser Frage gestrichen.
    Tatsächlich widersprach Lemaître später der vom Papst 1951 verkündeten Behauptung, der Urknall sei ein Schöpfungsbeweis. 2 Zu dieser Zeit war er in die vatikanische Pontifikalakademie gewählt worden, deren Präsident er später werden sollte. Er drückte es so aus: »Soweit ich das erkennen kann, bleibt eine solche Theorie vollständig außerhalb jeder metaphysischen oder religiösen Fragestellung.« Der Papst kam später nie mehr öffentlich auf diese Behauptung zurück.
    Daraus lässt sich eine wertvolle Lehre ziehen. Wie Lemaître erkannte, ist es eine wissenschaftliche und keine theologische Frage, ob der Urknall tatsächlich stattgefunden hat oder nicht. Mehr noch – auch wenn es den Urknall gegeben hat (was mittlerweile von allen Belegen in überwältigender Weise gestützt wird), stünde es jedem frei, ihn je nach seinen religiösen oder metaphysischen Vorlieben unterschiedlich zu interpretieren. Man kann sich dafür entscheiden, den Urknall als Anhaltspunkt für einen Schöpfer zu sehen, wenn man das Bedürfnis verspürt, oder stattdessen argumentieren, dass die Evolution des Universums bis zurück zu seinem Beginn durch die Mathematik der Allgemeinen Relativität ohne das Eingreifen einer Gottheit erklärt werde. Eine solche metaphysische Spekulation ist aber nicht von der physikalischen Gültigkeit des Urknalls selbst abhängig und für unser Verständnis dieses Ereignisses belanglos. Sobald wir über die bloße Existenz eines expandierenden Universums hinausgehen, um die physikalischen Prinzipien zu verstehen, die möglicherweise seinen Ursprung betreffen, kann die Wissenschaft diese Spekulation selbstverständlich weiter erhellen – wozu sie, wie ich noch zeigen werde, auch in der Lage ist.
    Jedenfalls ließ sich die Welt der Wissenschaft weder durch Lemaître noch durch Papst Pius davon überzeugen, dass das Universum sich ausdehnt. Wie bei jeder guten wissenschaftlichen Erkenntnis ergaben sich die Beweise eher aus sorgfältigen Beobachtungen, in diesem Fall zusammengetragen von Edwin Hubble, der mir weiterhin großes Zutrauen in die Menschheit vermittelt, weil er als Anwalt begann und dann Astronom wurde. Vorher hatte Hubble im Jahr 1925 einen bedeutenden Durchbruch mit dem Hooker-Teleskop auf dem Mount Wilson erzielt – mit 2,45 Meter Spiegeldurchmesser damals das größte weltweit. 3 Bis dahin konnten Astronomen mit den verfügbaren Teleskopen verschwommene Bilder von Objekten unterscheiden, bei denen es sich nicht um einfache Sterne unserer Milchstraße
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