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Ein Universum aus Nichts - ... und warum da trotzdem etwas ist

Ein Universum aus Nichts - ... und warum da trotzdem etwas ist

Titel: Ein Universum aus Nichts - ... und warum da trotzdem etwas ist
Autoren: Lawrence M.Krauss
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leiten. Während er im Geist viele »Gedankenexperimente« durchspielte und mehr als ein Jahrzehnt lang hart arbeitete, erlernte er neue mathematische Verfahren und folgte dabei vielen falschen theoretischen Hinweisen, ehe er schließlich eine Theorie hervorbrachte, die tatsächlich von mathematischer Schönheit war. Der wichtigste Moment für die Entwicklung seiner Liebesbeziehung zur Allgemeinen Relativität hatte jedoch mit Beobachtungen zu tun. Während der letzten hektischen Wochen, in denen er seine Theorie im Wettstreit mit dem deutschen Mathematiker David Hilbert vollendete, berechnete er mithilfe seiner Gleichungen eine Vorhersage, die ansonsten vielleicht eher als obskures astronomisches Resultat gegolten hätte: eine geringfügige Präzession im Perihel (dem Punkt der engsten Annäherung) der Umlaufbahn des Merkur um die Sonne.
    Astronomen hatten schon seit Langem bemerkt, dass die Umlaufbahn des Merkur ein wenig von der abwich, die Newton vorhergesagt hatte. Diese Umlaufbahn war nämlich keine makellose Ellipse, die in sich selbst zurückführte, sondern wies eine geringfügige Präzession auf. 1 Deren Betrag ist mit 43 Bogensekunden (etwa 1/100 eines Grades) pro Jahrhundert unglaublich klein.
    Als Einstein diese Berechnung mithilfe seiner Theorie der Allgemeinen Relativität ausführte, erhielt er genau die richtige Zahl. Abraham Pais, ein Biograf Einsteins, drückt es so aus: »Diese Entdeckung war, wie ich glaube, bei Weitem das stärkste emotionale Erlebnis in Einsteins wissenschaftlichem und möglicherweise in seinem gesamten Leben.« Er erklärte, Herzklopfen verspürt zu haben, als sei in seinem Inneren »etwas gesprungen«. Einen Monat später, als er im Gespräch mit einem Freund seiner Theorie »unvergleichliche Schönheit« attestierte, war seine Freude über die mathematische Form in der Tat sehr ausgeprägt, doch vom Herzklopfen war keine Rede mehr.
    Die offensichtliche Unstimmigkeit zwischen der Allgemeinen Relativität und dem beobachteten »statischen« Universum bestand jedoch nicht lange – obwohl sie Einstein dazu veranlasste, eine Modifikation in seine Theorie einzubauen, die er später als seinen größten Fehler bezeichnete. Doch dazu weiter unten mehr. Inzwischen weiß jeder (mit Ausnahme gewisser Schulämter in den USA ), dass das Universum nicht statisch ist, sondern sich ausdehnt, und dass diese Expansion vor etwa 13,7 Milliarden Jahren in einem unfassbar heißen, dichten Urknall begann. Ebenso bedeutend ist die Erkenntnis, dass unsere Galaxie nur eine von mehr als 100 Milliarden Galaxien im beobachtbaren Universum ist. Es geht uns hier wie den ersten Kartografen der Erde – wir fangen gerade an, das Universum in seinen größten Maßstäben zu erfassen. Da muss es einen natürlich nicht wundern, dass unser Bild des Universums in den letzten Jahrzehnten revolutionäre Wandlungen erfahren hat.
    Die Entdeckung, dass das Universum nicht statisch ist, sondern vielmehr expandiert, hat tiefe philosophische und religiöse Bedeutung, weil sie nahelegt, dass unser Universum einen Anfang hat. Ein Anfang schließt Schöpfung ein, und Schöpfung rührt Emotionen auf. Während es nach der Entdeckung des expandierenden Universums im Jahr 1929 mehrere Jahrzehnte dauerte, bis die Vorstellung eines Urknalls unabhängige wissenschaftliche Bestätigung erhielt, verkündete Papst Pius XII . bereits 1951, dieser Befund sei ein Beleg für die Schöpfung. Er führte aus:
    â€¦ es scheint, als sei es der heutigen Wissenschaft mit einem einzigen Streich über die Jahrhunderte zurück gelungen, Zeugnis abzulegen von dem erhabenen Augenblick des ersten Fiat Lux (Es werde Licht), als zusammen mit der Materie aus dem Nichts ein Meer aus Licht und Strahlung hervorbrach und sich aufteilte und sich zu Millionen Galaxien formte. Demnach hat [die Wissenschaft] mit der für wissenschaftliche Beweise charakteristischen Konkretion die Kontingenz des Universums bestätigt und dazu die wohlbegründete Deduktion der Epoche, in der die Welt aus der Hand des Schöpfers hervorging. Daher hat die Schöpfung stattgefunden. Wir sagen: Deshalb gibt es einen Schöpfer. Folglich gibt es Gott!
    Dabei ist die komplette Geschichte ein wenig interessanter. Tatsächlich war es ein belgischer Priester und Physiker namens Georges Lemaître, der als Erster einen Big Bang in
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