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Ein unbeschreibliches Gefuehl

Ein unbeschreibliches Gefuehl

Titel: Ein unbeschreibliches Gefuehl
Autoren: Christiane Schlueter
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das: In Momenten der Verschmelzung erleben wir den anderen als das wahre Gegenstück. Zu anderen Zeiten erscheint er uns als das Zweit-, das Drittbeste – und ist damit immer noch ein Geschenk. »Und wollen wir dafür«, so schließt Aristophanes, »den Gott, von dem es uns herkommt, besingen, so müssen wir ja allerdings den Eros besingen.«

In Freiheit lieben
    D ie Liebe als kosmische Macht, die alles erneuert und dabei selbst mit ihrem dunklen Gegenspieler zu kämpfen hat … Die Liebe als Aufstieg zum höchsten Ideal, das sich zugleich immer wieder mit der Realität versöhnen muss, um lebbar zu sein … Einfach klingt das wirklich nicht, was die bislang vorgestellten Philosophen über die Liebe gesagt haben. Auch wenn ihre Einsichten mit unseren eigenen Erfahrungen oft übereinstimmen mögen, stellt sich jetzt doch langsam, aber sicher die Frage: Geht’s nicht in etwas kleinerer Münze? Oder anders gefragt: Wie macht man das? Wie kriegt man es hin, die Liebe, diese kosmische Urkraft, ins eigene Leben zu integrieren und gegen die Kräfte des Verfalls zu schützen? Wie schafft man es, sich von Idealen inspirieren zu lassen und dabei zugleich dem einzelnen, realen Menschen gerecht zu werden?
    Glücklicherweise hat uns die Philosophie einen Beziehungsberater bereitgestellt, der es ebenfalls etwas konkreter liebte. Sein Name: Aristoteles!
    Nicht ganz zufällig war Aristoteles ein Schüler in Platons Akademie, bevor er, ebenfalls in Athen, seine eigene Schule gründete und in Abgrenzung zu seinem Lehrer sein eigenes philosophisches System entwickelte. Um es kurz zu machen: Wo Platon auf der Suche nach der ewigen Idee den Kopf in die Wolken steckte, buddelte Aristoteles lieber in der Erde herum, um die Welt in ihrer Vielfalt besser zu verstehen. Ein um 1510 n.Chr. entstandenes Bild des Renaissancemalers Raffael, die »Schule von Athen«, zeigt Platon und Aristoteles im Gespräch. Der Lehrer streckt die Hand gen Himmel, als wolle er sagen: Achte auf die Ideen! Der Schüler dagegen zeigt auf die Erde. Sein Motto lautet: Vergiss das Konkrete nicht!
    Mit dieser Einstellung ist Aristoteles der perfekte Beziehungsberater für alle, denen es bei Platon ein wenig zu wolkig ist. Denn er schaut sich vergleichsweise illusionslos das Miteinander der Menschen an und überlegt, wie es zu verbessern sei. Aristoteles ist angenehm alltagstauglich. Würden wir ihn zwecks Beratung aufsuchen, müssten wir allerdings darauf gefasst sein, dass wir ihm nicht in einem Sprechzimmer gegenübersäßen, sondern in einer Wandelhalle. Dort nämlich hielt Aristoteles seinen Unterricht ab. Heften wir uns also an seine Fersen …
    Zuerst lernen wir von Aristoteles einen neuen Begriff: »Philia«, das bedeutet Freundschaft. Drei Motive gibt es, warum Menschen miteinander Freundschaft schließen: erstens, weil sie einen Nutzen davon haben. Zweitens, weil ihnen die jeweilige Freundschaft Lust verschafft. Und drittens, weil sie dem Freund um seiner selbst willen Gutes wünschen. Nur diese dritte Spielart verdient eigentlich das Prädikat Freundschaft, sagt Aristoteles. Nur diese Art der Freundschaft ist überhaupt haltbar. Bei den anderen beiden Formen »wird der Geliebte nicht darum geliebt, weil er ist, der er ist, sondern weil er in einem Falle Gutes, im anderen Falle Lust gewährt. Daher sind solche Freundschaften leicht lösbar, wenn die Personen sich nicht gleich bleiben: Sind sie nicht mehr angenehm oder nützlich, so hört man auf, sie zu lieben.« Wer in der Freundschaft nur auf den eigenen Vorteil sieht, so sagt Aristoteles, kann keine dauerhaften Beziehungen schließen.
    Über die echte Freundschaft heißt es bei ihm: »Die aber dem Freunde um seiner selbst willen Gutes wünschen, sind Freunde im vollkommenen Sinne … Daher bleibt die Freundschaft zwischen solchen Menschen bestehen, solange sie tugendhaft sind … Tugendhafte aber haben die gleiche oder eine ähnliche Handlungsweise.« Zweierlei ist daran wichtig. Erstens: Freundschaft ist für Aristoteles eine Tugend. Ohne Tugend, das heißt ohne ethische Grundhaltung und ethisches Handeln, ist Freundschaft nicht denkbar.
    Und zweitens: Freundschaft ist nur unter halbwegs Gleichen möglich – gleich Denkenden, aber auch gleich Starken, was Fähigkeiten und gesellschaftliche Stellung angeht. Wir Heutige können das für uns so übersetzen: Wer miteinander befreundet sein will, sollte ähnliche Wertvorstellungen und auch sonst ein paar grundlegende Gemeinsamkeiten haben, sonst passt
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