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Ein Traum in roter Seide

Ein Traum in roter Seide

Titel: Ein Traum in roter Seide
Autoren: Miranda Lee
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momentan sprachlos und seltsam fasziniert von dem, was er sagte.
    „Er verstand es glänzend, Komplimente zu machen", fuhr er deshalb 21
    fort. „Aber irgendwann wurde mir klar, dass seine rührseligen Geschichten und die Komplimente nur einem einzigen Zweck dienten: Kevin wollte damit seine Ziele erreichen, ohne sich anstrengen zu müssen. Wenn er erwähnte, wie arm er sei, und wenig später mein Auto und meine Klamotten bewunderte, dann nur, um sich etwas auszuleihen oder etwas geschenkt zu bekommen. Er hat ja auch immer erklärt, wir seien viel intelligenter als er. Und weißt du, warum?
    Damit wir ihm die Berichte und dergleichen schrieben. Natürlich habe ich ihn nicht von Anfang an durchschaut, ich habe jedoch keine zehn Jahre dazu gebraucht, zu merken, was mit ihm los ist. Zu gern würde ich wissen, wie es ihm gelungen ist, dir so lange zu verheimlichen, was für ein egoistischer, ehrgeiziger und geldgieriger kleiner Betrüger er ist. Welche Tricks hat er angewandt? Oder bist du eine Masochistin?"
    Michelles Gedanken wirbelten durcheinander. Sie erinnerte sich an Kevins schmeichelhafte Bemerkungen. Immer wieder hat te er sie mit Komplimenten nahezu überschüttet, während sie sich liebten und auch danach. Und sie hatte sich dann noch mehr angestrengt, ihm alles recht zu machen. Dabei hatte sie oftmals ganz bewusst ignoriert, dass sie ein ungutes Gefühl bei der Sache hatte.
    Ihr wurde plötzlich klar, dass Tyler Recht hatte. Ihre Liebe zu Kevin war sehr einseitig gewesen. Michelle war bestürzt. Vielleicht war sie wirklich masochistisch veranlagt, denn Kevin hatte ihr im Lauf der Jahre viel Kummer bereitet. Sie gestand sich ein, dass sie sich sogar nach seinen Komplimenten gesehnt hatte und dafür bereit gewesen war, den Schmerz, den er ihr immer wieder zugefügt hatte, zu vergessen. Welcher Frau gefiel es nicht, zu hören, sie sei fantastisch im Bett und so schön, intelligent, verständnisvoll, warmherzig und liebevoll wie sonst keine?
    Es war ein wunderbares Gefühl gewesen, als Kevin ihr zum ersten Mal so schöne Worte ins Ohr geflüstert hatte. Er hatte da mit eine Leere in ihr gefüllt, die sie empfunden hatte, seit sie denken konnte.
    Bei jeder Versöhnung hatte er ihr die herrlichsten Komplimente gemacht, und sie hatte glauben wollen, dass er es ernst meinte. Der Gedanke, gebraucht und geschätzt zu werden, war einfach zu schön gewesen.
    Deshalb hatte Michelle ihn auch immer wieder aufgenommen. Auch 22
    dann, als ihn die Reiselust gepackt hatte und er monatelang weggeblieben war. Sie hatte ihm seine Affären zugestanden und ihn jedes Mal zurückgenommen, weil sie sich einredete, er brauche ab und zu sexuelle Abwechslung. Was sie beide miteinander verbunden hatte, war natürlich viel mehr als Sex gewesen.
    Aber wir hatten eigentlich gar nichts gemeinsam, gestand sie sich jetzt ein. Sie hatte unendlich viel gegeben, sie hatte Anteil genommen an seinem Leben und ihn geliebt, während von seiner Seite nichts gekommen war.
    Mehr als einmal hatte Tyler ihr vorgeworfen, ihr Verhalten Kevin gegenüber sei dumm und naiv. Er hatte Recht, wie ihr mittlerweile klar war. Ihr blieb keine andere Wahl, sie musste sich damit auseinander setzen und alles hinter sich lassen. Kevin war zehn Jahre Teil ihres Lebens gewesen, und es würde unendlich schwierig werden, ihn zu vergessen.
    Vor allem musste sie ihre Selbstachtung wieder aufbauen und sich an ihren Stolz erinnern.
    „Wann ist die Hochzeit?" fragte sie unvermittelt.
    Tyler blickte sie verblüfft an. Was für eine Reaktion hatte er erwartet?
    Er wirkte irgendwie angespannt. Michelle betrachtete seine schön geschwungenen Lippen, die gerade Nase und das energische Kinn.
    „Bald", antwortete er schließlich. „In dreieinhalb Wochen, am ersten Samstag im Mai. Warum? Du liebe Zeit, Michelle, du hoffst doch wohl nicht, er würde es sich noch anders überlegen und zu dir zurückkommen?"
    Daran hatte sie überhaupt nicht gedacht. Es hätte auch gar keinen Sinn, wenn er es tun würde. Sie würde sich nicht noch einmal mit ihm einlassen. Es war endgültig vorbei. Sie spürte, dass sie auf dem Weg zu sich selbst war. Es war ein gutes Gefühl.
    „Bist du mit Partnerin eingeladen?" fragte sie.
    „Ja, wahrscheinlich. Doch, ja, ich bin mir ganz sicher."
    „Hast du momentan eine feste Freundin?"
    „Na ja, keine feste."
    „Ich verstehe. Du hast nur eine Bettgefährtin oder so. Dann ist ja alles klar. Wer auch immer diese Frau ist, sie wird bestimmt nichts dagegen haben,
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