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Ein Toter hat kein Konto

Ein Toter hat kein Konto

Titel: Ein Toter hat kein Konto
Autoren: Léo Malet
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einen Banditen? So heißt
mein Parfüm.“
    „Ach, so ist das! Gefällt mir schon besser.“
    Sie sah mich von der Seite an.
    „Ich frage mich, ob Sie nicht doch einer sind“,
fragte sie sich.
    „Ein was?“
    „Ein Bandit.“
    „Alle Privatdetektive haben etwas davon an sich,
oder? Zumindest haben Sie das in Ihren Büchern gelesen...“
    „Und? Ist was Wahres dran?“
    „Hängt ganz davon ab.“
    „Wovon?“
    „Von der Gelegenheit, die ja bekanntlich Diebe
macht.“ Ich sah auf ihre Beine. Sicherlich entblößte sie sie nicht einfach nur,
um ihre Strümpfe durchzulüften. Sie boten sich geradezu an, gestreichelt zu
werden. Ich näherte meine Hand, wobei ich mich fragte, wie weit ich gehen
könne, ohne einen Unfall zu provozieren. Ohrfeige oder nähere Bekanntschaft mit
einem Baum, das war hier die Frage. Meine Hand berührte ihren Schenkel, so als
wäre ein Ruck des Wagens schuld daran gewesen. Sie biß sich auf die Lippen und
zog ihr Bein zurück.
    „Ich bitte Sie“, zischte sie giftig. „Sie müssen
sich nicht verpflichtet fühlen, sich wie ein Detektiv im Film zu benehmen!“
    „Ent... schuldigung“, stotterte ich. „Ich...“
    „Reden wir von ernsthaften Dingen. Sind Sie mit
Papa einig geworden?“
    „Ja, ich bin mit Papa einig geworden.“
    „Nun, den Auftrag verdanken Sie mir. Ich habe
Papa geraten, sich an einen Privatdetektiv zu wenden. Er wollte erst nicht,
aber ich habe nicht lockergelassen. Wenn ich Ihren Besuch beobachtet habe, dann
nicht, um Ihnen eine Geschichte zu erzählen, die Sie schon in allen
Einzelheiten von meinem Vater kennen.“
    „Ach, ich habe bisher nur einen ungefähren
Überblick.“
    „Sagt Ihnen der Fall zu, Monsieur Burma?“
    „Es ist immer interessant, ein wenig Geld zu
machen.“
    „Kam es Ihnen gelegen?“
    „Geld kommt mir immer gelegen.“
    Sie seufzte lächelnd oder lächelte seufzend.
    „Ich denke da genauso wie Sie... Ich... äh...
Gibt’s eine Prämie für den... äh... Akquisiteur?“
    „Verlangen Sie eine prozentuale Beteiligung?“
    „Warum nicht?“
    Sie vertauschte ihren spöttischen Tonfall mit
einem klagenden, um ihr Ansinnen zu rechtfertigen.
    „Papa bewilligt mir nur das Allernotwendigste,
kaum mehr als seinen Arbeitern...“
    „Aber natürlich“, beruhigte ich sie.
„Zwischenhändler sind immer am Gewinn beteiligt. Jede Mühe muß belohnt werden.“
    Ich nahm einen Schein aus meiner Brieftasche und
gab ihn ihr. Sie schob ihn in eine kleine Seitentasche ihres Kostüms.
    „Aber damit Sie’s wissen“, fügte ich hinzu,
„mehr gibt es nicht.“
    „Haben Sie pauschal kassiert?“
    „Ihrem Vater wird sich keine Gelegenheit bieten,
um seine Schatztruhe noch einmal zu öffnen. Der Fall ist banal und wird
spätestens morgen zu den Akten gelegt.“
    „Um so besser. Ich weiß nicht, was Roland dazu
getrieben hat, sich mit diesen schrecklichen Typen vom Antinéa einzulassen. Besser, wir schieben dem so bald wie möglich einen Riegel vor.
Papa befindet sich in einer höchst schwierigen Lage, und es würde eine
Kleinigkeit genügen...“
    „Ich hab Ihren Vater bereits beruhigt, und jetzt
beruhige ich Sie: Es wird keinen Ärger geben.“
    Erleichtert murmelte sie wieder:
    „Um so besser.“
    Dann erzählte sie mir das, was ich schon durch
meine Unterhaltung mit Gérard Flauvigny wußte. Ihr Bericht enthielt weder etwas
Neues noch etwas Konkreteres. Der ganze Fall war von Anfang an in Nebel
gehüllt, hinter dem sich sowohl ein Sturm im Wasserglas als auch ein Drama
verbergen konnte. Alles war verschwommen und vage.
    Im wesentlichen ging es darum, daß Joëlle seit
einiger Zeit und rein zufällig bei ihrem Bruder ein merkwürdiges Verhalten
bemerkt hatte, das sie sich nicht erklären und auch nicht näher bestimmen
konnte. Eines Abends war sie ins Antinéa gegangen, in diesen Nachtclub
in der Rue Geoffroy-Saint-Hilaire, ganz in der Nähe des Botanischen Gartens.
Dort hatte sie Roland in zweifelhafter Gesellschaft angetroffen und erfahren,
daß er Stammgast war.
    Nenne man es, wie man will, Berufskrankheit oder
sonstwie: Jedesmal, wenn Joëlle die arabischen Besitzer des Antinéa erwähnte, mußte ich an den toten Araber denken, der schmutzstarrend zwischen
ausrangierten Nachttöpfen und faulenden Schuhen auf der Mülldeponie lag.
    „Was genau befürchten Sie eigentlich?“
erkundigte ich mich.
    „Daß er sich in irgendeinen Skandal hineinziehen
läßt und daß dieser Skandal unserem Vater den Todesstoß versetzt. Sein
Gesundheitszustand ist
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