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Ein Toter hat kein Konto

Ein Toter hat kein Konto

Titel: Ein Toter hat kein Konto
Autoren: Léo Malet
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„Wenn
man sich überlegt, daß Riton der Spinner immer noch frei rumläuft…“
    „Vorgestern hat er
wieder einen Kassierer überfallen.“
    „Und er wird einfach nicht geschnappt!“
    „Der wird nie geschnappt werden! Das Ganze ist
doch Absicht!“
    Der Schaffner sah hinaus.
    „Gare de Robinson“, rief er.
    Der Bus fuhr unter der Metrobrücke hindurch. Ich
drückte auf die Halteklingel. Der Bus rollte noch ein paar Meter entlang der
Eisenbahnlinie weiter und hielt dann direkt vor dem Bahnhof. Ich stieg aus und
ging zu einem anderen Wagen der Pariser Verkehrsbetriebe, der auf der anderen
Seite des Vorplatzes wartete. Er würde gleich losfahren und mich kurz darauf in
Sceaux absetzen.
     
    * * *
     
    Man hatte mir erzählt, daß es eine stinkvornehme
Straße sei. Genauso war es. Und die Villa La Feuilleraie, die so abseits
lag, daß man sie nur erahnen konnte, verströmte eine Atmosphäre von Macht und
Reichtum.
    Durch eine kleine Tür neben dem Haupttor, das an
einem Privatweg lag, gelangte ich auf das Grundstück. Dann wanderte ich an
einer Mauer entlang, deren Länge einen zusätzlichen Eindruck von der Größe des
Anwesens vermittelte.
    Die Villa selbst, ein zweistöckiges Schlößchen,
lag weitab von der Straße, wie jemand, der Distanz wahrt.
    Wie das gesamte Viertel war das Haus
bemerkenswert ruhig, vielleicht eine Spur melancholisch. Zur musikalischen
Untermalung rauschten die Bäume im Park leise in der sanften Brise. Von der
Straße drang das gedämpfte Motorengeräusch eines Autos an mein Ohr. In einem
kleinen Pavillon nebenan dudelte ein Radio.
     
    * * *
     
    Gemächlich stopfte ich mir eine Pfeife, zündete
sie an und betrachtete in aller Ruhe die Villa durch das riesige
schmiedeeiserne Gartentor.
    Ein Rundweg umrahmte den Rasen, den man sich
gepflegter vorgestellt hätte. Dahinter erhob sich das Schlößchen. Über eine
zweiläufige Freitreppe stieg man zum Haupteingang hinauf. Rechts und links der
massiven, von Mattglas überdachten Tür standen zwei Lampen. Sie waren bestimmt
schon seit langem nicht mehr als solche benutzt worden und dienten nur noch
rein dekorativen Zwecken: zwei Frauen, nackt und so üppig wie Jane Russel — nur
etwas fester im Fleisch — hielten je eine ziselierte Lampe.
    Ich sah auf meine Armbanduhr. Die Eile, mit der
ich die Sache hinter mich bringen wollte, hatte mich in aller Herrgottsfrühe
aus dem Bett getrieben. Ich war überpünktlich, und es erschien mir taktisch
wenig klug, zuviel Arbeitseifer an den Tag zu legen. Im lahmen Schlenderschritt
eines rheumageplagten Rentners machte ich mich daran, die Umgebung zu erkunden.
     
    * * *
     
    Am Abend zuvor — ich saß in meinem Büro und war
mit meinen Fingernägeln beschäftigt — hatte das Telefon meine Schönheitspflege
unterbrochen.
    „Agentur Fiat Lux?“
    „Und ihr Direktor Nestor Burma persönlich am
Apparat“, ergänzte ich.
    „Hier spricht Gérard Flauvigny“, stellte sich
der Anrufer vor, ein wenig so, als hätte er gesagt: Hitler, Stalin oder Rita
Hayworth. „Ich würde Sie gerne mit einer vertraulichen Sache betrauen.“
    „Ganz zu Ihren Diensten.“
    „Ich kann nicht zu Ihnen kommen. Ich wohne in
Sceaux, Villa La Feuilleraie, Rue Decomble, Gérard Flauvigny“,
wiederholte er. „Ich möchte mit Ihnen sprechen.“
    „Wann?“
    „Morgen vormittag um Punkt elf Uhr. Und noch
etwas: Sie müssen nicht unbedingt überall herumerzählen, daß Sie für mich
arbeiten werden. Und stellen Sie sich bitte meinem Personal unter einem anderen
Namen als dem Ihren vor. Das erspart mir Klatsch und Tratsch.“
    „Martin“, schlug ich vor. „Wird das gehen?“
    „Ja.“
    Ohne ein weiteres Wort — etwa des Abschieds —
hatte er aufgelegt. Ich hatte mich sofort in ein dickes Buch vertieft, auf
dessen Rücken nur der Name des Herausgebers stand: Maténier. Dieser
Pamphletist, der wußte, was gespielt wurde, hatte ein Verzeichnis aller Leute
herausgegeben, die in der Welt der Industrie, der Finanzen und der Politik Rang
und Namen hatten. So wie Flauvigny sich ausgedrückt hatte, mußte er in diesem
Spezialband zu finden sein.
    Und er war tatsächlich zu finden.
    Flauvigny , Gérard-Hippolyte, Sohn des Georges-Ambroise (siehe dort) und
seiner Frau Félicie-Irma, geh. Darbois (siehe dort). Geb. am 8. April 1888 in
Paris...
    Seine Nachkommenschaft bestand aus zwei Kindern
aus zwei verschiedenen Ehebetten, einer Tochter und einem Sohn, ihren
Geburtsdaten zufolge zwanzig bzw. dreiundzwanzig Jahre alt. Flauvigny
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