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Ein Toter hat kein Konto

Ein Toter hat kein Konto

Titel: Ein Toter hat kein Konto
Autoren: Léo Malet
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seriöse,
englische), und ihr Rauch vermischte sich mit dem seiner Zigarette.
    „Können Sie auch ernsthaft reden, oder ist das
zuviel verlangt?“ sagte er schließlich.
    „Sehr ernsthaft sogar“, antwortete ich mit der
Unschuldsmiene eines Jungen, den man bei einem Streich erwischt hat.
    Wenn ich weiter den Hanswurst spielte, würde ich
mich am Ende noch um den Auftrag bringen.
    „Na wunderbar... Unnötig, Ihnen zu sagen, daß
unser Gespräch streng vertraulich ist, oder?“
    Ich klärte ihn über die Grenzen meiner
Verschwiegenheit auf:
    „Es gibt Fälle, bei denen die Öffentlichkeit
informiert werden muß. Vor allem, wenn der Tod seine Hand im Spiel hat, ist das
unvermeidbar. Es kommt ganz darauf an, welchen Verlauf die Ereignisse
nehmen...“ Ich lächelte. „Aber nicht alle Fälle, die ich übernehme, enden so
tragisch.“
    „Es hat keinen Toten gegeben, und es wird auch
keinen geben“, versicherte mir der Alte.
    Er sah aus dem Fenster und fuhr fort:
    „Ihr Beruf zwingt Sie, mit allen möglichen
Leuten und Kreisen in Berührung zu kommen...“
    Er vertauschte den Baum vor dem Fenster als
Gegenstand seiner Aufmerksamkeit wieder mit mir.
    „Kennen Sie Antinéa ?“
    „Wie jeder, der gelesen hat, was Pierre Benoît
über die Dame geschrieben hat. Allerdings wird behauptet...“
    „Diese Antinea meine ich nicht“, unterbrach er
mich. „Antinéa ist ein Cabaret, ein Nachtlokal. Genau weiß ich es nicht.
Vielleicht einer dieser Clubs, die im Moment in Saint-Germain-des-Prés und im
Quartier Latin wie Pilze aus dem Boden schießen. Das Antinéa unterscheidet sich von den anderen Lokalen dadurch, daß es von Arabern
betrieben wird.“
    Er drückte seine Zigarette aus.
    „Von Arabern?“
    „Ja. Kennen Sie es?“
    „Nein.“
    Ich unterdrückte ein aufkommendes Ekelgefühl.
Die Erinnerung an einen üblen Gestank überfiel mich. Ich mußte an den Araber
denken, der ganz in der Nähe auf einer öffentlichen Mülldeponie lag. Und auch
an die Exoten, die Flauvigny in seinen Fabriken beschäftigte, mußte ich denken.
Hatte der Fabrikbesitzer womöglich Ärger mit unseren ausländischen Mitbürgern?
Ich stellte ihm diese Frage.
    „Nein“, antwortete er. „Meine Unternehmen haben
nichts damit zu tun. Es ist eine Privatangelegenheit.“
    „Sehr privat sogar, scheint mir.“
    „Sehr privat, ja. Vergessen Sie das bloß nicht!“
    „Trotzdem müßte ich etwas mehr darüber erfahren,
Monsieur. Oder soll ich raten, warum Sie mich herbestellt haben? Auch wenn mein
Slogan von mir behauptet, daß ich das Geheimnis k. o. schlage...“
    „Was denken Sie über die Frauen, Monsieur
Burma?“ fragte er unvermittelt.
    Wollte er einfach nur nett mit mir plaudern? Na
schön. Besser, wir redeten über Frauen als über die Wettervorhersage.
    „Nur Gutes“, antwortete ich auf seine Frage. „Ohne
die Frauen säßen wir jetzt nicht hier, um über dieses oder jenes zu plaudern.“
    Er unterbrach mich mit einer Handbewegung.
    „Das ist keine Frauengeschichte.“
    „Das wollte ich auch nicht damit sagen.“
    Er zündete sich eine weitere Zigarette an und
betrachtete verträumt die Rauchspirale.
    „Ich hatte nicht viel Glück mit meinen Frauen“,
sagte er.
    „Sacha Guitry auch nicht. Daran ist er aber
nicht gestorben.“
    „Es geht nicht um Treue.“
    „So langsam wüßte ich wirklich sehr gerne, worum
es geht“, sagte ich leicht ungeduldig.
    Flauvigny entschloß sich, konkret zu werden.
    „Es geht um meinen Sohn. Er macht mir Sorgen.
Und meine Tochter ebenfalls.“
    „Sitzen die beiden in der Klemme?“
    „Das will ich nicht hoffen. Eben darüber sollen
Sie mir Gewißheit verschaffen.“
    „Was gibt es über die beiden Wissenswertes zu
sagen?“
    „Roland studiert Jura. Ich weiß allerdings
nicht, ob er sein Studium jemals abschließen wird. Wahrscheinlich bleibt er ein
ewiger Student. Er war... ist es immer noch... ein schwieriges Kind...“
    Jetzt sprach er in einem leicht bewegten Ton,
ohne jede Bitterkeit. Im selben Augenblick wurde aus einer seiner Fabriken ein
Arbeiter rausgeschmissen, der Schwierigkeiten mit dem Aufstehen hatte und in
zwei Wochen dreimal zu spät gekommen war. Nun, hier ging es jetzt um Roland,
den Sohn des Generaldirektors.
    Ich wies mit meiner Pfeife auf das gerahmte
Foto, das neben dem Telefon auf dem Schreibtisch stand. Es zeigte einen jungen
Mann mit einem Gesichtsausdruck, der so intelligent war wie der eines
Käsehobels.
    „Ist er das?“ fragte ich.
    „Ja.“
    Flauvigny schlug
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