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Ein Toter hat kein Konto

Ein Toter hat kein Konto

Titel: Ein Toter hat kein Konto
Autoren: Léo Malet
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Windschutzscheibe. „Erzählen Sie keinen Unsinn“, ermahnte sie mich.
    „Ich hab gar nichts
gesagt.“
    „Aber gedacht.“
    „Schon möglich.“
    Jeanne d’Arc und sie hatten nichts miteinander gemein.
Verträumt lauschte sie dem schnurrenden Motorengeräusch oder der gedämpften
Musik, die aus ihrem Autoradio kam. Dann richtete sie ihre Augen wieder auf
mich.
    „Sie sind ein typischer Privatdetektiv“, stellte
sie fest. „Ich hab das Gefühl, einen Roman zu lesen oder einen Film zu sehen.“
    „Privatdetektive reden weder in Büchern noch in
Filmen so... Wer hat Ihnen übrigens verraten, daß ich einer bin?“
    Sie verzog schmollend den Mund.
    „Also, kommen Sie, kein Versteckspiel, bitte!
Ich weiß Bescheid... Nur Ihren Namen kenne ich nicht. Sie sind Monsieur
Mercadier oder einer seiner Mitarbeiter, stimmt’s?“
    Ich setzte meine bedauerndste Miene auf.
    „Tut mir leid, ein so bezauberndes Geschöpf wie
Sie zu enttäuschen! Doch ich bin weder Monsieur Mercadier noch einer seiner
Mitarbeiter. Wer ist denn überhaupt Monsieur Mercadier?“
    Ich wußte sehr gut, wer Mercadier war: ein etwas
zwielichtiger Kollege von mir, mit dem ich nicht auf besonders gutem Fuß stand.
Aber ich hielt es nicht für nötig, das Mädchen darüber aufzuklären. Da sie
anscheinend Filmdetektive mochte, wollte ich ihr die Freude nicht verderben.
    Sie runzelte die Stirn. Das Mandelbraun ihrer
Augen spielte jetzt ins Kastanienbraune. Ihre Hände wanderten unschlüssig über
ihr Kostüm, strichen hier und da eine Falte glatt...
    „Sie sind nicht Monsieur Mercadier?“
    „Mein Name ist Burma.“ Ich verbeugte mich
leicht. „Nestor Burma. Entschuldigen Sie bitte den etwas seltsamen Vornamen.
Man gewöhnt sich dran. Davon abgesehen, bin ich der Detektiv, der das Geheimnis
k. o. schlägt und wie eine Ladung Dynamit wirkt.“
    „Soll ich das so verstehen, daß Sie ein
hervorragender Detektiv sind?“
    Sie lächelte wieder. Ich gab ihr ihr Lächeln
zurück. Wär schade gewesen, wenn es verlorengegangen wäre.
    „Hervorragend ist das richtige Wort. Doch auch
ich stoße an meine Grenzen. Zum Beispiel verstehe ich nicht, wie Sie mich für
Monsieur... Wie war das noch? Ach ja, Mercadier... Also, wie Sie mich für
Monsieur Mercadier halten konnten. Sehe ich ihm ähnlich?“
    „Ich hab ihn nie gesehen“, gestand sie. „Papa
hat von ihm gesprochen. Ich glaube, er wollte sich mit ihm in Verbindung
setzen.“
    „Dann ist er also ein Kollege von mir?“
    „Ja.“
    Sie trommelte mit ihren Fingern auf das Lenkrad.
Der Nagellack blätterte noch weiter ab.
    „Tja, ich kenne ihn nicht“, sagte ich. „Man kann
schließlich nicht jeden kennen... Ich hoffe, Sie sind mir nicht böse?“
    „Weswegen?“
    „Weil ich nicht Monsieur Mercadier bin.“
    „Überhaupt nicht.“
    „Da bin ich aber froh... Sagen Sie, sollten wir
nicht die Gelegenheit nutzen und uns ein wenig über Ihren Bruder unterhalten?“
    „Das wollte ich Ihnen auch gerade vorschlagen.
Haben Sie Ihren Wagen in der Nähe geparkt, oder sind Sie mit dem Taxi
gekommen?“
    „Keins von beiden. Ich habe den Bus genommen.
Meine bescheidenen Mittel erlauben mir nicht, mich anders fortzubewegen.“
    „Ich fahre nach Paris. Kann ich Sie mitnehmen?
Dann könnten wir unterwegs ein wenig plaudern.“
    Ich nahm die Einladung gerne an. Sie verrenkte
sich, um mir die Tür zu öffnen. Das Schloß klemmte offensichtlich, denn sie
mußte es mehrmals versuchen. Dabei bot sie mir einen freizügigen Ausblick auf
ihre Beine und ihren Ausschnitt.An ihren charmanten
Reizen hätte man ein Streichholz anzünden können. Endlich funktionierte der
Mechanismus, und ich stieg ein.
    „Wir könnten uns vielleicht mal die Hand geben“,
schlug sie lächelnd vor. „Wo wir uns doch schon so lange kennen...“ Wir gaben
uns die Hand, da sie auf diesem zusätzlichen Programmpunkt bestand. Ihre Hand
war weich und angenehm. Ohne diese verdammten Fingernägel hätte man ins
Schwärmen kommen können.
    Der Wagen startete. Mich streifte ein zarter
Parfümduft, der so ganz anders war als der, der mir vor rund einer Stunde auf
der Mülldeponie in die Nase gestiegen war.
    „Sie riechen aber gut“, bemerkte ich.
    Mademoiselle Flauvigny verstand das offenbar
falsch. „Bandit“, sagte sie.
    „Nein, nein“, lachte ich, „um mich einen
Banditen zu nennen, kennen Sie mich nicht gut genug.“
    Sie imitierte mein Lachen, nur ein paar Töne
heller. Die Kleine lachte wohl furchtbar gerne.
    „Wer nennt Sie denn
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