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Ein Totenhemd fur einen Erzbischof

Ein Totenhemd fur einen Erzbischof

Titel: Ein Totenhemd fur einen Erzbischof
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dürfen?»
    «Allerdings.»
    «Dann lebt Ihr in einem wahrhaft merkwürdigen Land, das sich selbst der Hälfte der Talente seiner Bevölkerung beraubt.»
    «Nicht merkwürdiger, gute Schwester, als ein Land, das den Frauen gleiche Rechte einräumt wie den Männern. In Rom werdet Ihr überall beobachten, daß der Vater oder Ehemann in jeder Hinsicht über die weiblichen Mitglieder seiner Familie bestimmt.»
    «Dann ist es wohl ein Wunder, daß ich unbehelligt durch Eure Straßen gehen kann, ohne für meine Anmaßung angepöbelt zu werden.»
    «Eure Tracht wird mit der stola matronalis gleichgesetzt, das heißt, Ihr könnt nicht nur öffentliche Kultstätten, sondern auch Theater, Läden und Gerichtshöfe besuchen – Vergünstigungen, die all denen, die kein geistliches Gewand tragen oder noch unverheiratet sind, nicht zustehen. Jungfrauen müssen sich auf jeden Fall im nahen Umkreis ihres Vaterhauses aufhalten. Trotz allem können hochgestellte Frauen in geschäftlichen Dingen durchaus eine recht einflußreiche Rolle spielen – vorausgesetzt, alles wird in den vier Wänden ihres eigenen Palastes abgewickelt und nach außen von ihren Ehemännern oder Vätern vertreten.»
    Fidelma schüttelte mißbilligend den Kopf. «Dann ist Rom für uns Frauen eine sehr traurige Stadt.»
    «Es ist die Stadt von Peter und Paul, die das Licht des Glaubens in die Finsternis des Heidentums brachten – und es ist die Stadt, die dazu auserwählt wurde, dieses Licht in die Welt zu tragen.»
    Stolz schwang in Gelasius’ Tonfall mit, als er sich zurücklehnte und die junge Irin betrachtete. Er liebte seine Heimat und seine Stadt und war äußerst standesbewußt.
    Fidelma schwieg, da sie klug genug war, um es sich nicht mit dem Bischof zu verscherzen. Nach einer Weile fuhr Gelasius fort. «Und Eure Reise verlief ohne Zwischenfälle?»
    «Die Überfahrt von Massilia war äußerst ruhig. Nur einmal, als am südlichen Horizont ein fremdes Segel erschien, ließ der Kapitän das Schiff vor lauter Angst fast auf einen Felsen laufen.»
    «Es hätte ein Schiff der fanatischen Anhänger Mohammeds aus Arabien sein können, die das gesamte Mittelmeer unsicher machen. Unzählige Male sind unsere Häfen im Süden schon von ihnen geplündert und verwüstet worden. Gott sei Dank ist Euer Schiff von ihnen verschont geblieben.» Einen Augenblick lang hielt Gelasius nachdenklich inne, dann fragte er: «Und habt Ihr eine gute Unterkunft in der Stadt gefunden?»
    «O ja. Ich bin in einer kleinen Herberge nicht weit von hier untergekommen, ganz in der Nähe des Oratoriums der Heiligen Prassede in der Via Merulana.»
    «Ah, die Herberge, die von Diakonus Arsenius und seiner guten Frau Epiphania geleitet wird?»
    «Genau.»
    «Gut. Dann weiß ich, wo ich Euch erreichen kann. Und jetzt laßt uns über die Botschaft sprechen, die Euch Ultan von Armagh mitgegeben hat.»
    Fidelma reckte kampflustig ihr hübsches Kinn. «Sie ist allein für die Augen Seiner Heiligkeit bestimmt.»
    Verärgert zog Gelasius die Brauen zusammen. Kurz sah er in die unerschrockenen, grünen Augen, die kühn seinem Blick standhielten. Dann aber überlegte er es sich anders und nickte mit einem breiten Lächeln.
    «Ihr habt vollkommen recht, Schwester. Aber hier bei uns herrscht nun mal die Regel, daß ich kraft meines Amtes als nomenclator alle eingehenden Schreiben prüfen muß. Auch die Regularien, die Ihr dem Heiligen Vater zur Segnung mitgebracht habt, müssen vorher von mir durchgesehen werden. Das liegt nun mal in meinem Zuständigkeitsbereich.»
    Fidelma sah ein, daß ihr nichts anderes übrig blieb, als einzulenken. Aus den Falten ihrer langen Gewänder zog sie eine dicke Pergamentrolle hervor und reichte sie dem Bischof. Er entrollte sie, überflog ihren Inhalt und legte sie dann auf den Tisch.
    «Ich werde alles in Ruhe lesen und anschließend meinen scriptor um eine Prüfung bitten. Wenn alles seine Richtigkeit hat, können wir für heute in sieben Tagen eine Audienz bei Seiner Heiligkeit vereinbaren.»
    «Nicht früher?» fragte sie enttäuscht.
    «Habt Ihr es denn so eilig, unsere schöne Stadt wieder zu verlassen?» spöttelte Gelasius.
    «Mein Herz sehnt sich nach meiner Heimat, werter Bischof, das ist alles. Ich bin jetzt schon so viele Monate von zu Hause fort.»
    «Dann, mein Kind, werden ein paar Tage mehr oder weniger auch keinen großen Unterschied machen. Es gibt so vieles, was Ihr Euch vor Eurer Rückkehr anschauen solltet, vor allem, wenn dies Eure erste Pilgerreise
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