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Ein Totenhemd fur einen Erzbischof

Ein Totenhemd fur einen Erzbischof

Titel: Ein Totenhemd fur einen Erzbischof
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zu Euch geschickt hat», sagte sie erleichtert. Sie ließ die Schultern sinken. «Es ist nicht immer leicht, sich richtig zu verhalten, wenn man nicht in die hiesigen Gepflogenheiten eingeweiht ist. Ich hoffe, Ihr werdet mir verzeihen, wenn ich Fehler mache, und es einzig und allein meiner fremdländischen Herkunft und Erziehung zuschreiben.»
    Gelasius neigte gnädig den Kopf. «Hübsch gesagt, Schwester. Für jemanden, der zum ersten Mal in unserer Stadt ist, sprecht Ihr ein ausgezeichnetes Latein.»
    «Ich spreche auch Griechisch und Hebräisch. Was das Erlernen fremder Sprachen angeht, besitze ich eine recht rasche Auffassungsgabe. Sogar die Sprache der Sachsen ist mir in groben Zügen geläufig.»
    Gelasius sah sie prüfend an, denn er war nicht sicher, ob sie ihn verspotten wollte. Doch im Tonfall der jungen Frau schwang nichts Prahlerisches mit, und wieder war Gelasius höchst beeindruckt von ihrer direkten Art.
    «Und wo habt Ihr all diese Sprachen erlernt?»
    «Ich habe als Novizin in Kildare, der von der heiligen Brigit gegründeten Abtei, studiert. Und später war ich dann bei Morann in Tara.»
    Gelasius war erstaunt. «All Eure Sprachkenntnisse habt Ihr ausschließlich in Irland erworben? Nun, bisher kenne ich Eure berühmten Schulen nur vom Hörensagen, doch jetzt habe ich einen lebenden Beweis für deren Qualität. Nehmt doch Platz, Schwester, und laßt uns über die Gründe Eures Besuches sprechen. Die Reise von Irland muß lang und anstrengend gewesen sein – und sicherlich auch nicht ganz ungefährlich? Bestimmt seid Ihr nicht allein nach Rom gekommen?»
    Fidelma nahm den kleinen Holzstuhl, den Gelasius ihr angeboten hatte, und drehte ihn so, daß sie dem Bischofdirekt gegenübersaß. Nachdem sie es sich bequem gemacht hatte, antwortete sie: «Bruder Eadulf aus Canterbury hat mich begleitet, der als scriba , für Wighard, den zukünftigen Erzbischof von Canterbury, im sächsischen Kent tätig ist.»
    Gelasius hob fragend die Augenbrauen.
    «Soweit ich im Bilde bin, gibt es zwischen Irland und Canterbury nicht viele Gemeinsamkeiten. Oder gehört Ihr zu den wenigen irischen Ordensleuten, die die Vorherrschaft Roms über Columba anerkennen?»
    Ein Lächeln spielte um Fidelmas Lippen. «Ich halte es mit den Glaubensregeln von Patrick und Palladius, die unserer kleinen Insel einst den Glauben brachten», entgegnete sie ruhig. «Ich habe an der Synode von Witebia teilgenommen und dort die sächsischen Gesandten kennengelernt. Gegen Ende der Synode erkrankte Deusdedit, der Erzbischof von Canterbury, an der Gelben Pest und starb. Sein voraussichtlicher Nachfolger Wighard verkündete seine Absicht, nach Rom zu reisen, da er den Papst um seinen Segen bitten wollte. Und da Ultan mich gebeten hatte, die Regula coenobialis Cill Dara nach Rom zu bringen, beschloß ich, in der Gesellschaft Bruder Eadulfs zu reisen, den ich während der Synode kennen- und schätzengelernt habe.»
    «Und was war der Zweck Eurer Teilnahme an der Synode, Schwester? Von dem Disput zwischen den Vertretern Roms und denen der irischen Kirche habe ich gehört. Haben unsere römischen Gesandten in diesem Meinungsstreit nicht den Sieg davongetragen?»
    Fidelma überhörte geflissentlich Gelasius’ spöttischen Tonfall.
    «Meine Aufgabe war es, den Vertretern unserer Kirche in allen rechtlichen Fragen beratend zur Seite zu stehen.»
    Erstaunt sah der Bischof sie an.
    «Ihr habt sie in rechtlichen Fragen beraten?» fragte er verblüfft.
    «Ja, denn ich bin nicht nur Geistliche, sondern auch eine dálaigh der irischen Brehon-Gerichtsbarkeit, eine Gesetzeskundige oder Advokatin, und sowohl im Senchus Mór , dem Zivilrecht, als auch dem Leabhar Acaill , dem Strafrecht, geschult. Beide zusammen sorgen dafür, daß in unserem Land Frieden und Gerechtigkeit herrschen.»
    Gelasius starrte sie ungläubig an. «Ist es bei den Königen von Irland Sitte, Frauen als Gesetzeskundige vor Gericht zuzulassen?»
    Fidelma zuckte die Achseln. «In meinem Volk können Frauen jeden Beruf ergreifen, selbst die Königswürde und die Befehlsgewalt im bewaffneten Kampf stehen ihnen offen. Wer hat noch nicht von Macha, unserer größten Kriegerkönigin, gehört? Und doch ist mir zu Ohren gekommen, daß den Frauen in Rom keine vergleichbaren Rechte zugebilligt werden.»
    «Ganz bestimmt nicht», versetzte Gelasius.
    «Es ist also wahr, daß den römischen Frauen alle gelehrten Berufe versagt sind und sie kein öffentliches Amt bekleiden
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