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Ein Totenhemd fur einen Erzbischof

Ein Totenhemd fur einen Erzbischof

Titel: Ein Totenhemd fur einen Erzbischof
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ist. Zweifellos werdet Ihr den Vatikanhügel besuchen und die Basilika besichtigen wollen, die man dort über dem Grab des Heiligen Petrus errichtet hat – dem Felsen, auf dem nach dem Willen Christi seine Kirche fest und unverbrüchlich steht. Auf diesem Hügel, sagt man, ist der Herr auch dem Heiligen Petrus erschienen, als er die Stadt, in der Nero alle Gläubigen verfolgte, verlassen wollte. Petrus kehrte um und ging zurück in die Stadt, um gemeinsam mit seiner Herde den Kreuzigungstod zu erleiden, und auf diesem Hügel wurde er dann zu Grabe getragen.»
    Fidelma senkte den Kopf. Es fiel ihr schwer, ihre Verärgerung darüber zu verbergen, daß der Bischof sie für so unwissend hielt.
    «Dann werde ich warten, bis Ihr mich rufen laßt, Gelasius», sagte sie, stand auf und sah ihn an, als wolle sie sich von ihm verabschieden. Wieder staunte Gelasius, der es gewohnt war, in seinen Amtsräumen ganz allein darüber zu entscheiden, wann ein Gespräch beendet war.
    «Sagt mir, Fidelma von Kildare, gibt es in Eurem Land viele Frauen wie Euch?»
    Fidelma sah ihn fragend an. Offenbar war ihr die Bedeutung seiner Worte nicht ganz klar.
    «Ich habe viele Eurer Landsmänner kennengelernt, einige davon sind sogar hier im Lateranpalast für uns tätig, aber meine Erfahrungen mit den Frauen sind sehr begrenzt. Sind sie alle so unverblümt und offen wie Ihr?»
    Fidelma lächelte gelassen. «Ich kann nur für mich selbst sprechen, Gelasius. Doch wie ich Euch schon sagte, sind die Frauen in meinem Land den Männern in keiner Weise unterstellt. Wir glauben, daß Gott uns als Wesen mit gleichen Rechten geschaffen hat. Vielleicht solltet Ihr selbst einmal nach Irland reisen und Euch ein Bild von seinen Schönheiten und Schätzen machen.»
    Gelasius lachte. «Kein schlechter Einfall. Aber ich glaube, ich bin schon zu alt für eine so anstrengende Reise. Jedenfalls wünsche ich Euch eine schöne Zeit in unserer Stadt. Ihr könnt jetzt gehen. Deus vobiscum. »
    Zufrieden darüber, daß es ihm schließlich doch noch gelungen war, das Ende des Gesprächs zu bestimmen, beugte er sich vor und läutete mit einer kleinen silbernen Glocke.
    Wieder streckte er die linke Hand aus, und wieder griff Fidelma zu seinem Ärger einfach danach und neigte den Kopf, anstatt seinen Ring zu küssen, wie es in Rom Sitte war.
    Ohne ein weiteres Wort wandte die hochgewachsene Schwester sich um und ging quer durch den Saal zu der Tür, die Bruder Donus ihr aufhielt.
     

II
     
    Erleichtert trat Schwester Fidelma durch die mit reichen Schnitzereien verzierten Eichentüren in die große Haupthalle des Lateranpalasts, wo in den letzten dreihundertfünfzig Jahren alle römischen Bischöfe gekrönt worden waren. Die Halle war zweifellos prachtvoll und in höchstem Maße beeindruckend. Hohe Marmorsäulen reckten sich himmelwärts einer gewölbten Decke entgegen, der Boden wirkte wie ein endloser Teppich aus winzigen Mosaiksteinen, die Wände waren mit bunten Wandteppichen geschmückt, und die gewölbten Baldachine bestanden aus polierter, gedunkelter Eiche. Dieser Palast hätte jedem weltlichen Prinzen zur Ehre gereicht.
    An allen Eingängen standen custodes in schneidigen Uniformen mit polierten Rüstungen und federgeschmückten Helmen, die kurzen Schwerter vor der Brust – eine eindrucksvolle Zurschaustellung weltlicher Macht. Gleichzeitig herrschte in der Halle ein unübersichtliches Gewimmel. Zahllose Geistliche liefen in geheimnisvoller Mission hin und her. In ihren schlichten Gewändern bildeten sie einen seltsamen Gegensatz zu den vielen Potentaten und Würdenträgern aus aller Herren Länder.
    Schwester Fidelma hielt kurz inne, um dieses Treiben noch einmal auf sich wirken zu lassen. Sie hatte etliche Stunden in der lärmenden Menge warten müssen, ehe Bruder Donus sie zu Bischof Gelasius gerufen hatte. Hier kamen die Völker der Welt zusammen. Verglichen mit diesem Glanz wirkte der Königshof in Tara, Sitz des Hochkönigs über die fünf irischen Königreiche, armselig und rückständig. Aber, so dachte Fidelma, während sie sich ihren Weg durch die vielen Gruppen plaudernder Menschen bahnte, die ruhige Würde Taras inmitten der lieblichen Landschaft der königlichen Provinz Midhe war ihr trotz alledem lieber als diese kalte Pracht.
    In diesem Augenblick wurde sie in dem Gedränge von einer jungen Nonne angerempelt.
    «Oh, Verzeihung …»
    Die Nonne hob den Kopf und lächelte Fidelma strahlend an. «Schwester Fidelma! Seit unserer Ankunft in Rom habe
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