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Ein toedlicher Plan

Titel: Ein toedlicher Plan
Autoren: Jeffrey Deaver
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weiter. Nur du willst das nicht einsehen. So etwas ist dir viel zu wenig. Du musst die Toten wieder zurückholen, nicht wahr?«
    Sie sprach genauso leise wie er: »Mitchell, du spielst mit den Menschen, aber sie funktionieren nicht immer so, wie du dir das vorstellst. Das ist auch der große Fehler in deinem Plan gewesen. Es ist dir einfach nie in den Sinn gekommen, dass es mich zutiefst beschäftigen könnte, für den Tod eines Menschen verantwortlich zu sein. Dass ich mich deswegen hundeelend fühlen und nach Wiedergutmachung streben könnte.« Sie fragte sich, ob sie im nächsten Moment einen Schreikrampf kriegen, Mitchell ins Gesicht schlagen oder ihm mit beiden Händen an die Gurgel gehen würde. Sie wusste, dass sie im Augenblick genug Kraft besaß, um ihn hier und jetzt umzubringen. Doch sie tat nichts dergleichen. Kein Hass kam in ihr auf. Die ganze Situation erschien ihr eigenartig – Mitchells Betrug und ihre … ja, was hatte sie für ihn empfunden? Liebe? Nein, das war es nicht gewesen, das war ihr nun klar – Leidenschaft, pure Lust auf ihn hatten sich perfekt ausbalanciert und damit gegenseitig neutralisiert. Taylor spürte in sich überhaupt nichts mehr. Sie sah ihn an, und sein Anblick löste auch nicht das Geringste in ihr aus.
    »Taylor, ich …«
    »Ich möchte nichts mehr hören«, sagte sie, aber nicht zu ihm, sondern zu John Silbert Hemming, der nur nickte und Reece hinausbrachte.
    Donald Burdick stand vor dem Telefon, und nachdem er tief durchgeatmet hatte, nahm er den Hörer ab und wählte zum zweiten Mal innerhalb von sechs Wochen die Nummer der Polizei.
    Sean Lillick war endlich damit fertig, sein ausgeklügeltes musikalisches Meisterwerk zu kopieren, und kehrte zu seinem Arbeitsplatz in der Halsted Street zurück. Im Mittelgang blieb er abrupt stehen, als wäre er gegen ein unsichtbares Hindernis geprallt. »Taylor! Hat man Sie schon aus dem Krankenhaus entlassen?«
    Sie drehte sich langsam mit ihrem Stuhl zu ihm um und sah ihn aus müden Augen an. »Ja, ich bin dem Tod von der Schippe gesprungen.«
    »Fühlen Sie sich auch gut?«
    »Ja, kann man sagen.«
    Er trat zu ihrem Schreibtisch und reichte ihr einen dicken Stapel Blätter. »Werfen Sie doch mal einen Blick darauf. Mein jüngstes Opus. Das Thema ist Wendall Clayton.«
    Sie starrte auf die Notenreihen, ohne zu erkennen, was sie da vor sich hatte.
    »Was ist denn los?«, fragte er.
    »Mitchell Reece hat ihn getötet.« Wie eigenartig, dass das bloße Aussprechen dieser wenigen Worte einem so viel physische Schmerzen bereiten konnte.
    »Was? Wer?«
    »Er hat Wendall ermordet.«
    »O mein Gott!« Lillick setzte sich auf einen Stuhl, und sie erzählte ihm die ganze Geschichte. Als sie fertig war, flüsterte er etwas, das sie nicht mitbekam, denn sie konnte nur auf sein Ohr starren.
    Der Ohrring!
    Der winzige rote Punkt des Lochs in seinem Ohrläppchen. Er war der junge Mann, von dem Junie ihr erzählt hatte. »Sean, Sie waren vor ein paar Wochen zusammen mit Wendall hier. An dem betreffenden Samstagabend, nicht wahr?«
    »Ja und?«
    »Was wollten Sie hier?«
    Er schob seine Notenblätter zusammen. »Ihm bei den Fusionsvorbereitungen helfen.«
    »Und was sonst?«
    »Nichts sonst.« Er wich ihrem Blick aus.
    »Ach, kommen Sie schon, erzählen Sie.«
    Nach kurzem Zögern begann er. »Ich habe Geld gebraucht, und er hat mich für gewisse Dinge bezahlt, wie zum Beispiel in anderer Leute Aktenschränken und Schreibtischen zu stöbern und dabei so manches Interessante zu finden. Schlimme Dinge, Sie verstehen, mit denen man die erpressen konnte, die sich gegen die Fusion stellten.«
    »Sie waren also so etwas wie sein Spion?«
    Er starrte auf den Teppichschoner unter ihrem Drehstuhl. »Ich habe ihm mitgeteilt, dass Donald sich in Florida mit den Chefs von MacMillan treffen wollte … und ihm von Dudleys Verhältnis erzählt … Ich weiß, das hätte ich nicht tun sollen.« Er zuckte mit den Schultern wie ein kleiner Junge, den man dabei erwischt hat, Geld aus der Jackentasche seines Vaters zu stehlen, und der nun auf Vergebung hofft.
    Taylor war aber nicht in der Stimmung, ihm zu vergeben. Kühl erwiderte sie: »Das kommt ein bisschen spät, oder?« Er redete auf sie ein, versuchte, sein Tun zu rechtfertigen, erzählte ihr seine Lebensgeschichte, angefangen von seinem Vater, der ihn vernachlässigt hatte, von seiner Leidenschaft für die Musik, von seiner großen Angst vor dem Alltäglichen … Sie hörte ihm gar nicht zu, sondern folgte der
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