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Ein Todsicherer Job

Ein Todsicherer Job

Titel: Ein Todsicherer Job
Autoren: Christopher Moore
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sie ihn mit ihrem frostigen Blick bedachte.
    Langsam schob er die Tür von Rachels Zimmer auf, um sie nicht zu erschrecken, erwartete ihr freundlich tadelndes Lächeln, doch sie schien zu schlafen, und ein sehr großer, schwarzer Mann im mintgrünen Anzug stand neben ihrem Bett.
    »Was machen Sie da?«
    Erschrocken fuhr der Mann in Mint herum. »Sie können mich sehen?« Er deutete auf seine schokoladenfarbene Krawatte, und eine Sekunde lang fühlte sich Charlie an diese dünnen Pfefferminztaler erinnert, die in besseren Hotels auf den Kopfkissen lagen.
    »Natürlich kann ich Sie sehen. Was machen Sie hier?«
    Charlie trat an Rachels Bett, drängte sich zwischen den Fremden und seine Familie. Die kleine Sophie schien von dem großen, schwarzen Mann ganz fasziniert zu sein.
    »Das ist nicht gut«, sagte der Mintmann.
    »Sie sind im falschen Zimmer«, sagte Charlie. »Raus hier!« Charlie langte hinter sich und tätschelte Rachels Hand.
    »Das ist wirklich, wirklich nicht gut.«
    »Sir, meine Frau versucht zu schlafen, und Sie sind im falschen Zimmer. Wenn Sie jetzt bitte gehen würden, bevor ich...«
    »Sie schläft nicht«, sagte Mintmann. Seine Stimme war sanft, klang nach Südstaaten. »Tut mir leid.«
    Charlie drehte sich um und sah Rachel an, erwartete, sie lächeln zu sehen, doch sie hatte die Augen geschlossen, und ihr Kopf war neben das Kissen gesunken.
    »Liebling?« Charlie ließ die CD fallen und schüttelte sie vorsichtig.
    Die kleine Sophie fing an zu schreien. Charlie fühlte Rachels Stirn, nahm sie bei den Schultern und rüttelte sie. »Liebling, wach auf! Rachel! « Er hielt sein Ohr an ihr Herz und hörte nichts. »Schwester!«
    Charlie hechtete über das Bett, um den Summer zu nehmen, der Rachel aus der Hand gefallen war, und lag quer auf der Decke. »Schwester!« Er drückte den Knopf und drehte sich zu dem Mann in Mint um. »Was ist passiert...?«
    Er war weg.
    Charlie rannte auf den Flur hinaus, doch da war niemand. »Schwester!«
    Zwanzig Sekunden später kam die Schwester mit dem Schlangen-Tattoo, dreißig Sekunden darauf gefolgt vom Wiederbelebungsteam mit einem Rollwagen.
    Sie konnten nichts mehr tun.

 
     
     
     
    Frische Trauer besitzt eine besondere Schärfe, die die Nerven kappt und die Wirklichkeit abtrennt... eine scharfe Klinge ist barmherzig. Erst nach einer Weile, wenn die Schneide stumpf wird, setzt der echte Schmerz ein.
    Deshalb merkte Charlie auch nichts von seinem Geschrei in Rachels Zimmer, von den Beruhigungsmitteln, die man ihm verabreichte, von dieser elektrisierten Hysterie, die sich wie ein Film über alles legte, was er an jenem ersten Tag tat. Danach war alles nur noch wie die Erinnerung eines Schlafwandlers, gefilmt aus der Augenhöhle eines Zombies, und wie ein Untoter taumelte er durch Vorwürfe, Erklärungen, Vorkehrungen und Formalitäten.
    »Man spricht von zerebraler Thromboembolie«, hatte der Arzt gesagt. »Während der Wehen bildet sich in den Beinen oder in der Hüfte ein kleiner Blutklumpen, der dann zum Gehirn wandert und die Blutzufuhr unterbricht. Sehr selten, aber es kommt vor. Wir konnten nichts machen. Selbst wenn es dem Notfallteam gelungen wäre, sie wiederzubeleben, hätte ihr Hirn schweren Schaden genommen. Sie hatte keine Schmerzen. Vermutlich wurde sie nur müde und ist dann eingeschlafen.«
    Charlie flüsterte, um nicht schreien zu müssen. »Dieser Mann in Mintgrün! Er hat irgendwas mit ihr angestellt. Er hat ihr etwas injiziert. Er war da, und er wusste, dass sie im Sterben lag. Ich habe ihn gesehen, als ich ihr die CD bringen wollte.«
    Sie zeigten ihm das Überwachungsvideo. Die Schwester, der Arzt, die Krankenhausleitung und die Anwälte – sie alle sahen sich die schwarzweißen Bilder an, wie er aus Rachels Zimmer kam, dann den leeren Flur und schließlich, wie er wieder in ihr Zimmer ging. Kein großer, schwarzer Mann in Mint. Sie fanden nicht mal die CD, von der er sprach.
    Schlafentzug, sagten sie. Halluzinationen, hervorgerufen durch Erschöpfung. Trauma. Man gab ihm Medikamente zum Schlafen, Medikamente gegen Angst, Medikamente gegen Depressionen, und dann schickten sie ihn mit seiner kleinen Tochter nach Hause.
    Charlies ältere Schwester Jane hielt die kleine Sophie im Arm, als sie Rachel zwei Tage später begruben. Er konnte sich nicht erinnern, einen Sarg ausgesucht oder sonstige Arrangements getroffen zu haben. Es war wieder dieser somnambule Traum: Die angeheirateten Verwandten rannten hin und her, wie taumelnde Gespenster,
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