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Ein Tag ohne Zufall

Ein Tag ohne Zufall

Titel: Ein Tag ohne Zufall
Autoren: Pearson Mary E.
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»Wie …«
    »Das Handschuhfach!«, ruft Seth. »Schau noch mal ins Handschuhfach.« Und schon läuft er selbst um das Auto herum. Er kramt in dem Fach, Geldscheine und Papiere fallen auf den Boden vor den Sitzen, dann fördert er einen kleinen, nicht mal handtellergroßen Umschlag zutage und überreicht ihn mir. Im spärlichen Schein der Scheunenlampe kann ich die maschinengeschriebene Aufschrift lesen:
    Destiny.
    Mit zitternden Fingern ziehe ich eine rosa Karte heraus. Vorn ist eine Geburtstagstorte mit weißem Zuckerguss und Glitzer drauf. Ich klappe die Karte auf und lese weiter vor:
    »Liebe Destiny – alles Gute zum Geburtstag! Ich finde, diesmal solltest du ihn feiern. Zu diesem Auto gehören auch Fahrlehrer und Fahrstunden. Benzingeld liegt bei. Hoffentlich gefällt dir der Wagen (und hoffentlich magst du Rosa noch!). Mit herzlichen Grüßen, Mr Farrell«
    »Das ist dein Geburtstagsgeschenk!«, verkündet Seth, als hätte er das Rätsel aller Rätsel gelöst.
    Ich schaue ihn an und bin total durcheinander. Er fasst mich an den Schultern und wiederholt langsam und deutlich: »Dein Vormund hat dir das Auto zum Geburtstag geschenkt, Destiny. Es hat schon die ganze Zeit dir gehört.«
    »Na klar!«, ruft Aidan. »Vorhin im Haus hat er doch gesagt, er hätte eine Kleinigkeit für dich ins Internat liefern lassen.«
    »Von wegen Kleinigkeit!«, sagt Mira. »Das ist ja wohl die größte Kleinigkeit der Welt!« Aidan und sie setzen sich wieder nach hinten. Jetzt, da das Auto mir gehört, bewundern sie es anscheinend noch mehr. Mira befühlt die verchromten Türgriffe.
    »Es ist mein Auto«, sage ich benommen, öffne die Beifahrertür und steige ein. Ich streiche über den Ledersitz. Dabei ist es nicht das ausgefallene Modell, das mir die Sprache verschlägt. Es ist die Vorstellung, dass es extra für
mich
ausgesucht wurde. Die Farbe, der Typ … es ist so schräg und besonders wie ich selber. Mein Vormund hat sich große Mühe damit gegeben, es für mich auszusuchen und es nach Hedgebrook liefern zu lassen. Ich gehe die Ereignisse des heutigen Morgens noch einmal durch, als ich den Wagen entdeckt habe. Der Bote, der ihn abliefern sollte, war vermutlich nur mal kurz weggegangen, um das richtige Gebäude zu suchen. Das Auto sollte eine Überraschung sein. Ein Geschenk von meinem Vormund. Jahrelang hat er sich einfühlsam und geduldig um mich gekümmert, und ich habe ihn trotzdem nie richtig an mich herangelassen, habe Lob und Ermutigung abgewehrt, habe ihn, wie alle anderen Leute auch, auf Abstand gehalten. Trotzdem hat er die Aufgabe, für mich zu sorgen, nicht einfach hingeschmissen und hat sogar meinen Vorlieben und Abneigungen Aufmerksamkeit geschenkt. Meine Eltern haben den Richtigen ausgesucht.
    Mein Auto. Ich betaste das Loch, das Lucky in den Sitz geknabbert hat, und Seth macht ein zerknirschtes Gesicht.
    »Ist schon okay«, sage ich. »So wie es ist.«
    »Wir können ja alle zusammenlegen und …«
    »Pass mal auf, Seth – ich bin wahrscheinlich die reichste Waise im ganzen Land … jedenfalls wenn ich einundzwanzig werde. Ich kann den Sitz hundertmal neu beziehen lassen, wenn ich das will. Vielleicht lasse ich ihn ja auch irgendwann neu beziehen. Aber erst mal ist das Loch ein Andenken an den heutigen Tag.«
    »Ich hab’s geahnt, dass du stinkreich bist«, sagt Aidan. »Ich wusste bloß nicht,
wie
stinkreich!«
    Mira mischt sich ein. »Eins kapier ich immer noch nicht.« Sie beugt sich zu mir vor. »Warum bist du nicht zu deiner Tante Edie gezogen statt zu Mr Farrell? Mit deiner Tante bist du immerhin verwandt.«
    Es gibt mir einen Stich. Das Thema
Tante Edie
wollte ich eigentlich nicht mehr ansprechen. Ich schaue erst Seth an und dann Mira. Wie viel kann ein Mensch an einem einzigen Tag von sich preisgeben? Meine wundervolle Tante. Die für mich das Reden übernommen hat, als ich nicht sprechen konnte. Die mich zu sich nehmen wollte. Die mein Vormund ertragen hat, weil er begriffen hatte, dass ich sie brauchte. Ich öffne den Mund, aber ich bringe kein Wort heraus.
    »Ist ja auch egal.« Mira lässt sich wieder zurückplumpsen. »Du brauchst es uns nicht zu erzählen. Du hast uns heute schon so viel erzählt.«
    »Es gibt keine Tante Edie«, platze ich heraus. »Es hat nie eine gegeben.«
    Seth beobachtet mich von der Seite. Ich schäme mich, dass ich den anderen immer noch nicht die ganze Wahrheit gesagt habe. Im Auto wird es peinlich still.
    »Aber sie hat doch heute Morgen angerufen, dass sie
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