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Ein sueßes Stueck vom Glueck

Ein sueßes Stueck vom Glueck

Titel: Ein sueßes Stueck vom Glueck
Autoren: Laura Florand
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fette kleine schwarzgekleidete Schneemänner. Lange, phallische éclairs in den Geschmacksrichtungen Kaffee, Schokolade und Pistazie waren aufgereiht wie im Traum einer Nymphomanin. Cade runzelte die Stirn und blickte aus den Augenwinkeln misstrauisch zu Sylvain Marquis hinüber. Seit wann sah sie Phallussymbole in unbescholtenen éclairs?
    Wenn Marquis da nicht mit seiner festen Überzeugung ihrer Unterlegenheit gestanden hätte, dann hätte sie mehrere Gebäckstücke wählen und in sich hineinstopfen können. Stattdessen war sie gezwungen, sich zu beherrschen. Was sollte sie nehmen? Ein Croissant war langweilig und würde sie wie eine Touristin wirken lassen. Ein pain au chocolat – das bekam sie auch zu Hause. Sie warf einen Blick auf das Gebäckstück in seiner Hand. Ein croissant aux amandes . Das schied also auch aus.
    Auf gar keinen Fall würde sie ihm etwas nachmachen. Die Namen der anderen Dinge kannte sie nicht – also würde sie wieder ungebildet wirken. »Äh … das da.« Sie deutete irgendwohin und stellte fest, dass ihr Finger auf eine kleine tarte zeigte, die gänzlich mit frischen Himbeeren bedeckt war.
    Gute Wahl . Sie brauchte mehr frisches Obst bei diesem kalten Wetter.
    »Pour le petit-déjeuner?« , fragte Sylvain Marquis erstaunt.
    »Habe ich Sie gefragt, was ich zum Frühstück essen soll?«, fuhr sie ihn an. Der Bäcker warf ihr einen drohenden Blick zu. Wie jetzt, waren die beiden etwa befreundet? Großartig. Jetzt würde sie sich für den Rest ihres Aufenthaltes fragen müssen, ob ihre Baguettes und ihr Gebäck bespuckt worden waren oder auf dem Boden gelegen hatten. Vielleicht sollte sie sich eine andere Wohnung suchen.
    Eine mit Duschvorhang.
    Eine, die mehrere Arrondissements von Sylvain Marquis Laboratoire entfernt lag.
    »Américains« , sagte Sylvain Marquis ungläubig, während er seinen wunderschönen schwarzen Haarschopf schüttelte. »Ihr esst alles zu jeder Zeit, oder?«
    Verunsichert ballte sie im Schatten ihres Mantelärmels ihre nackte Hand zur Faust. Sie hasste ihn wirklich. Zum Glück hatte sie das begriffen, bevor sie einen Vertrag unterschrieb, der ihn Millionen hätte verdienen lassen, nur weil sie Pariser Chocolatiers dermaßen blind verehrte.
    »Was machen Sie hier?«, fragte der Chocolatier, dem die Tatsache völlig zu entgehen schien, dass sie nach seinem Verhalten eigentlich nicht mehr mit ihm sprach. »Mein Laden öffnet erst später. Sind Sie gekommen, um meine Rezepte zu stehlen?«
    Hatte er ihre Familiengeschichte gelesen? Der Vorwurf des Rezeptdiebstahls gegen ihren Urgroßvater war nie bewiesen worden. Vor allem, weil die entsprechenden Schweizer Fabriken so wachsam gewesen waren, ihm keine Chance dazu zu geben und er das Schokoladenrad auf die harte Tour hatte neu erfinden müssen: mit vielen Experimenten, zwei Kesselexplosionen und einem abgebrannten Schuppen.
    »Ich bin auf dem Weg zu Dominique Richard«, erklärte sie kühl und nahm ihre wunderschöne kleine Himbeer-Zubereitung aus den Händen des Bäckers entgegen. »Warum? Dachten Sie, Sie wären der einzige ›beste Chocolatier in Paris‹?«
    Seine Augenbrauen zuckten. Das hatte gesessen, oder? Gut . Sie ging an ihm vorbei aus dem Laden und so schnell wie möglich die Straße hinunter, weil sie wenigstens diesen kleinen Sieg ihrer Begegnung genießen wollte. Sie zwang ihren Rücken, ihre Verachtung diesmal etwas besser zum Ausdruck zu bringen.
    Dennoch wartete sie, bis sie am Ende der Straße um die Ecke gebogen und außer Sichtweite war, bevor sie in ihr Himbeer- tartelette biss. Es war so gut. Nicht zu süß, aber frisch und voller Geschmack, mit einer dünnen Schicht himmlischer Vanillecreme. Wieso sollte man so etwas nicht zum Frühstück essen? Es war gesünder als sein croissant aux amandes , das sollte sie ihn vielleicht wissen lassen. Doch das würde sie nicht tun, denn dafür hätte sie zurückgehen und es ihm sagen müssen.
    Und wenn sie ihm so viel Aufmerksamkeit schenkte, dann ging dieser Punkt definitiv an ihn.

3
    Sylvain hatte ein ungutes Gefühl, weil sich diese gonflée Vertreterin kapitalistischer Arroganz um sieben Uhr morgens vor seiner Chocolaterie herumtrieb, als hätte sie diese bereits gekauft. Aber er versuchte es zu verdrängen. Zumindest hatte sie es nicht noch einmal gewagt, ihn dazu zu drängen, ihr seinen Namen zu verkaufen.
    Was tatsächlich ziemlich irritierend war. Sie hätte ihm schon ein bisschen mehr hinterherlaufen können, oder? Außerdem gab es nichts Besseres
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