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Ein Stueck meines Herzens

Ein Stueck meines Herzens

Titel: Ein Stueck meines Herzens
Autoren: Richard Ford
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und feuerte dröhnend eine Kugel ab, die durch das Lüftungsfenster auf der Beifahrerseite krachte, aus seinem Fenster wieder herausschoß und die Fahrerkabine mit einem feinen Sprühregen von Glassplittern füllte. Beide Fenster hatten nun häßliche runzlige Löcher, aber die übrigen Scheiben waren unversehrt geblieben. Beuna kreischte: »Knall ihn ab, knall ihn ab«, und er ließ die Kupplung unter seinem Schuh hochschnappen und drückte auf das Gaspedal, bis das Bodenblech unter seinen Füßen nachgab und der Pickup ruckhaft und bucklig wie ein Büffel lospreschte, und er vergrub sich in der Ecke, um sich vor einem weiteren Schuß zu schützen, und Glas sproß aus seiner Wange wie winzige Bäume in einem Wald.
    Ein Dutzend Meter hinter dem Wohnwagen bot ihm die Straße eine Alternative zum Umkehren, und er drehte nach links ab und fuhr torkelnd zurück auf die Stadt zu. Er warf schnell einen Blick zurück und sah W. W.s grünen Plymouth, der aus dem Fahrweg schlingerte, Abgase überzogen den Boden wie ein Fellteppich, und der Gewehrlauf ragte an der Fahrerseite schräg aus dem Fenster. Er konnte gerade noch Beuna im Rückspiegel sehen, die einfach, um den Wagen vorbeizulassen, an eine Seite der Zufahrt gekrochen war, sich immer noch in ihrem ruinierten weißen Kleid auf dem Boden wälzte und aussah, als ob sie genau an der Stelle vom Himmel gefallen war.
    Die Schotterstraße führte wieder durch ein Wäldchen von Amberbäumen und an einem zweiten Abschnitt mit Feldern und verregneten Häusern vorbei, die ursprünglich nicht als Farmhäuser gedacht waren, und wo die Ziegen- und Hühnerställe mit ihren niedrigen Dächern verloren auf den kleinen kümmerlichen Grundstücken standen.
    Im Rückspiegel kam W. W. angeschlittert, der Plymouth schlug im feuchten Lehm nach allen Seiten aus, und der Abstand wurde bereits geringer.
    Er versuchte, einen kühlen Kopf zu bewahren und ruhig zu überlegen, was er jetzt tun sollte. Ein Gefühl sagte ihm, daß die Straße in südlicher Richtung in die River Road einmündete und daß es gefährlich war, in die Stadt zurückzufahren und das Risiko einzugehen, vom Sheriff gestoppt und lange genug festgehalten zu werden, daß W. wieder losfeuern konnte und diesmal aus so kurzer Entfernung, daß er sich schon anstrengen mußte, um an etwas, das sich nicht bewegte, vorbeizuschießen. Die kleinen Stichwunden an seiner Wange begannen zu bluten, und er richtete sich auf, bis er sein Gesicht im Spiegel erkennen und sehen konnte, wo das Blut aus mehreren kleinen Schlitzen an seinem Kinn hervortrat. Sein Hals war mit Splittern gespickt, aber es lief noch kein Blut, obwohl das noch kommen würde, dachte er.
    Er raste an der Reihe von geduckten Farmhäusern vorbei, während der Wind zwischen den beiden Einschußlöchern durchpfiff, und direkt in die vom Nieselregen verhangene Ferne. Ein Diesellaster keuchte aus Helena heraus und fuhr auf die Abkürzung über die Brücke zu, und eine Rauchfahne wehte in einem langen grauen Banner hinter ihm her.
    Er ärgerte sich darüber, nicht bedacht zu haben, daß jeder solide Bursche eine 30-06-Kaliber hinter der Tür für den Fall stehen hatte, daß ein alter Rehbock seine Orientierung verlor und im Vorgarten zu äsen beschloß, wobei man ausdrücklich zu einem Schuß berechtigt war, einfach um den eigenen Grund und Boden vor Flurschäden zu schützen. Er zupfte eine kleine Scherbe aus seiner Wange, drückte sie durch das runzlige Loch in der Scheibe und warf noch einen Blick auf den Plymouth, der nichts als ein Hügel in einer Dreckwolke war. Das Wasser war nun über die Furchen vom letzten Jahr angestiegen, und bloß die holzigen Pflanzen ragten über die Oberfläche.
    Als er die Kreuzung erreichte, konnte er eben noch sehen, wie W. zwei Kilometer hinter ihm die gerade Wegstrecke durch die Felder entlangbrauste.
    Er bog ab und fuhr mitten in den niederstürzenden Regen hinein, trat voll auf das Gaspedal, und der Pickup zischte an den Telefonleitungen entlang zurück nach Elaine.
    Von der Landkarte des alten Mannes wußte er bereits, daß die 185 einfach aufhörte, sich in einem Wirrwarr von Feldwegen und Schweinepfaden verlor, in denen er sich überhaupt nicht auskannte und wo W. vermutlich besser Bescheid wußte und deshalb im Vorteil war. Er überlegte, daß er weiter nach Mississippi fahren könnte, aber da lief er einfach Gefahr, daß jemand auf der anderen Seite die Baumwollkapselkäfer-Quarantäne geltend machte und man ihn wegen seiner
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