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Ein Stueck meines Herzens

Ein Stueck meines Herzens

Titel: Ein Stueck meines Herzens
Autoren: Richard Ford
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entdecken konnte, aber es war nie irgend etwas Verdächtiges zu sehen. Das Bild von W. kam ihm wieder in den Sinn, wie er in seiner weiß-orangenen Baseballuniform in dem kleinen rosa Bungalow in Tulare von einem Zimmer ins andere gewandert war, als hätte er in eine Quitte gebissen und kriegte sie nun nicht mehr aus dem Mund. Er war mitten in der Nacht aus der Hintertür geschlüpft und nach Bishop zurückgefahren, ohne eine Minute geschlafen zu haben.
    »Wo soll ich dich absetzen?«
    »Bieg rechts ab«, sagte sie.
    »Wo fahr’n wir denn hin?«
    »Das zeig ich dir dann schon«, sagte sie, schlug eine Seite in ihrem Buch um und biß ein Stück von ihrem Fingernagel ab.
    Er fuhr einen Block hinunter und stieß auf eine Straße, die sich von der, auf der sie gerade gewesen waren, durch nichts unterschied – Holzhäuser mit niedrigen Dächern und Autos auf dem Hof – und die in die Stadt führte. Er konnte die Laderampen am Piggly-Wiggly-Supermarkt sehen und nichts Ungewöhnliches entdecken, aber er spürte eine leichte Beklommenheit in der Brust, wie ein Geräusch, das er nicht hören konnte, das aber in verschiedenen seiner Organe Schwingungen auslöste. Sein Herz begann, heftig gegen seine Rippen zu pochen. Er wünschte nun, er hätte die Pistole des alten Mannes behalten, statt sie in die Gin Den zu legen, weil sie ihm vielleicht von Nutzen sein konnte, wenn die Dinge auf einmal allzu brenzlig wurden.
    Im nächsten Block wurde die Straße schlecht, und die alten Häuser wurden zu kleinen Farmhäusern mit stoppeligen Bermudagraswiesen, die am Wald endeten, und Hühnern und Ziegen, die in kleinen Drahtverschlägen eingepfercht waren. Der Regen hatte die kleinen Tiere in ihre Ställe gescheucht. Ein Ziegenbock stand im Regen, graste unbekümmert und starrte ins Nichts. Die Straße schlüpfte in eine Gruppe von Amberbäumen, und er konnte noch sehen, wo rechts die erste Auffahrt abzweigte, konnte aber wegen der Amberbäume keine anderen Häuser mehr ausmachen.
    »Wo fahren wir denn hin?« fragte er, schaute prüfend in den Rückspiegel und sah nichts als weiche wattige Wolken, die das Licht verdeckten.
    »Nach Hause«, sagte sie, klappte das Buch zu, warf es in ihre Handtasche und grinste ihn mit ihren roten Lippen breit an.
    Der Pickup fuhr auf das Ende eines Fahrwegs aus roter Erde zu, und er konnte weiter oben zwischen den Stümpfen der Amberbäume einen Wohnwagen erkennen, der auf Holzziegeln aufgebockt war und an dessen einer Seite ein Propantank lag. W. W.s leerer Plymouth parkte an der Ecke, die zum Wald hin lag. Der Boden schien mit Sägemehl von gefällten Bäumen bedeckt zu sein.
    Es machte ihn fuchsteufelswild. »Steig sofort aus, Scheiße noch mal!« schrie er, langte an ihr vorbei, schubste die Tür auf und ließ es hereinregnen.
    »Ich wollte nicht im Regen nach Hause gehen«, sagte sie und griff nach dem roten Pumps, den sie von ihrem Zeh hatte baumeln lassen. Er hob den Fuß über den Sitz, trat ihr in die Schulter und stieß sie mit voller Wucht hinaus, und sie fiel der Länge nach auf den feuchten Lehm. Der Inhalt ihrer Handtasche war über den Sitz verstreut und fiel auf die Erde. Ihr roter Schuh lag immer noch im Pickup, und er packte ihn und warf ihn hinaus, wo sie sich gerade im Dreck umdrehte. Das Haar war an ihrer Stirn festgeklebt und ihr Gazerock bis über die Taille hochgerutscht, und sie präsentierte dem Regen ihren nackten Hintern.
    Er brachte den Motor auf Touren. Sie hatte eine Hand in ihrer Handtasche und preßte sie in den Schlamm, und die andere verhedderte sich in mehreren Plastik-Sandwichbeuteln, die herausgefallen waren. Schmutz klebte an ihren Augenbrauen und unter ihrem Kinn. »Du fiese Drecksau!«
    »Ich doch nicht!« brüllte er. » Du  bist es, verdammt noch mal, die Scheiße gebaut hat.« Er gab noch einmal Gas.
    Aus dem Trailer trat W., in einem leuchtend orangeblauen Baseballdress, das Haar so kurz geschnitten, daß sein Kopf wie eine Zwiebel wirkte, und in seinen langen Armen hielt er ein kurzes kleines Gewehr, das nur halb so groß wie alle anderen Gewehre wirkte, die er je gesehen hatte.
    Er musterte das Gewehr durch die offene Tür, während W. noch fuchtelnd näherkam, und versuchte zu erkennen, was das nun genau für eine Waffe war, und kam zu dem Schluß, daß es ein Luftgewehr sein mußte. Er warf W. einen interessierten Blick zu und schaltete langsam in den ersten Gang hinunter. W. W. ließ sich plötzlich auf sein Knie fallen, legte die Waffe an die Schulter
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