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Ein Stueck meines Herzens

Ein Stueck meines Herzens

Titel: Ein Stueck meines Herzens
Autoren: Richard Ford
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Nummernschilder festhielt und daß W. aus der Ausfahrt gerast kam und in der Gegend herumballerte und Leute umlegte. Und außerdem, selbst wenn er rüberkam, gab es einfach keinen Ort, wo er hinfahren konnte, weil er da überhaupt nichts kannte. Es wäre das beste, meinte er daher, wenn er bloß genügend Abstand zwischen sich und W. schaffen könnte, um zurück auf die Insel zu kommen, ihn mit der Pistole des alten Mannes vom Ufer fernzuhalten und zu hoffen, daß er’s nach einer Weile einfach aufgeben und wieder nach Hause fahren würde.
    Er konnte W. sehen, der zurücklag und immer noch den Feldweg in einem Schlammwirbel hinunterkeuchte wie ein Tornado mit Auspuff. Bei hundertvierzig begann das Chassis zu vibrieren, und der Wind fing sich in den Löchern und wirbelte noch mehr Glassplitter auf, und er ging wieder runter auf hundertdreißig, da er überlegte, daß es wohl nicht so viel brachte, wenn er in den Graben rutschte, weil W. W. ihn dann abknallen konnte wie einen Spatz in einem Vogelbad. Was ihn zum ersten Mal darauf stieß, wie groß und ernst die Gefahr war, daß er genauso endete wie sein Vater, den es einfach hinweggefegt hatte. Und das, nachdem er schon beschlossen hatte, daß er davongekommen war, indem er dem Unheil aus dem Weg ging – dem Unheil, in das Beuna ihn hatte hineinziehen wollen, als sie ihn auf ihre Weise davon zu überzeugen suchte, daß sie, wenn sie schon einmal in dasselbe schlechte Fahrwasser geraten waren, es gemeinsam genießen konnten. Denn er hatte die Falle schon erkannt. Wenn er sich dem, was ihr kleiner Plastikbeutel bedeutete, verweigerte, dann weigerte er sich auch anzuerkennen, daß sie beide im selben Boot saßen. Und genau das war es auch, was sie dazu gebracht hatte, ihn W. direkt in die Arme zu führen, der Wunsch, den Zwist dadurch zu beenden, daß sie den Knoten durchschlug. Sie war ganz einfach entschlossen – wenn sie schon mit sich selbst leben musste –, auch alle anderen zur Einsicht zu zwingen, daß ihr Leben genauso auf den Hund gekommen war. Und in seinem Fall hatte sie es darauf angelegt, ihm genau in dem Augenblick zu dieser Einsicht zu verhelfen, in dem er seinen letzten Atemzug tat und sie kreischend im Dreck danebensaß.
    Er zündete sich eine Zigarette an. Das Blut trocknete auf seinen Schläfen, und er spürte, wie es auf seiner Haut verkrustete. Als er an der Abzweigung nach Mississippi vorbeifuhr, konnte er W. W. nicht mehr sehen. Der Highway folgte dem kurvigen Verlauf des alten Flusses, wand sich dann zurück nach Westen, nahm ihm die Sicht auf die Straße und machte ihm angst, weil er die Entfernung nicht einschätzen und nicht abschätzen konnte, ob er rechtzeitig hinüberkam, bevor W. den See unter Beschuß nehmen konnte.
    Die Straße krümmte sich wieder zurück nach Osten, überquerte einen sumpfigen, mit Zypressen bewachsenen Nebenarm und fiel dann allmählich ab auf der geraden offenen Highwaystrecke nach Elaine, wo er den Laden sehen konnte, der wie ein Hubbel knapp über den Baumwollfeldern aufragte.
    Er schmiß die Zigarette weg, warf einen Blick auf die Straße hinter sich und sah nichts im Nieselregen. Im Westen, hinter dem Sturm, der den Himmel immer noch kilometerweit grau tönte, zeigten sich lange breite Sprenkel wächsernen Lichts. Er dachte, daß der Tag warm werden und der Himmel bei Einbruch der Nacht klar sein würde.
    Bei Goodenough’s bog er vom Highway ab und warf einen kurzen Blick zum Fenster hinüber, wo die alte Dame gewöhnlich stand und die Veränderungen am Himmel beobachtete, aber diesmal war niemand zu sehen, und er hielt direkt auf den Damm zu.
    Die Sache mit Newel wurmte ihn jetzt, und er wünschte, ihm wäre das nicht wieder eingefallen, vor allem, weil da ja eigentlich gar nichts gewesen war. Es hatte vielleicht einen Punkt gegeben, an dem Beuna es gewesen war, obwohl sie nie wirklich Macht über ihn gehabt hatte und gar nicht so an ihm gezehrt haben konnte, um ihn wirklich todunglücklich zu machen und sein Herz zu brechen.
    Er fuhr an den beiden im Feld steckengebliebenen Fahrzeugen vorbei. Ein Wagen war gerade zwischen den Zypressen hervorgekommen und zog eine Regensäule hinter sich her, aber er konnte nicht erkennen, wer es war. Er wischte die Scheibe, konnte aber nichts sehen.
    Er fuhr die Leeseite des Dammes hinunter und wurde ein wenig nervös beim Gedanken, ein Boot zu nehmen, ohne zu fragen. Die Straße flachte zwischen den Ahornbäumen ab und durchquerte die Schneise, die sich zum Lager hin
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