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Ein Strandkorb für Oma

Ein Strandkorb für Oma

Titel: Ein Strandkorb für Oma
Autoren: Janne Mommsen
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in der Schifffahrt nach Grönland
    sehr kundig, wo er mit unglaublichem Erfolg
    373 Wale
    gefangen hat, sodaß er von da an
    mit Zustimmung aller den Namen
    «Der Glückliche»
    annahm; und dessen Frau
    Inge Mathiesen
    geb. den 7. Oct. 1641
    gest. 5. April 1727.
    «Falls du dich bei Greenpeace bewerben willst, solltest du den besser verschweigen», frotzelt Oma.
    Plötzlich muss sie gähnen.
    Irgendetwas scheint ihr schlagartig alle Energie aus dem Körper zu ziehen. Ihre Lippen werden weiß, sie lässt sich rücklings auf die Picknickdecke fallen.
    «Alles klar, Oma?», frage ich besorgt. «Oder soll ich einen Arzt holen?»
    «Nein, nur einen Moment …», stöhnt sie und schiebt sich eine weiße Pille in den Mund.
    Jade und ich schauen uns ratlos an.
    «Ich habe uns nachher bei einem Malkurs angemeldet», raunt sie heiser, während sie die Augen geschlossen hält.
    «Das können wir gerne verschieben», sagt Jade.
    Gutes Kind.
    Oma schließt die Augen: «Gib mir fünf Minuten.»
     
    Tatsächlich richtet sie sich nach kurzer Zeit wieder auf und scheint wieder voll da zu sein. Sie besteht darauf, nun endlich mit uns zu frühstücken. Ich bin ein bisschen beruhigt, aber meine Gedanken laufen trotzdem unaufhörlich im Kreis. Was ist, wenn Maria versetzt wird? Wie werden wir dann zusammenbleiben? Telefonisch? Als Bild auf dem Laptop? Viele Paare müssen sich so arrangieren, manche mögen das sogar. Ich könnte das nicht, glaube ich
    Ich schaue auf mein Handy, kein Anruf.
    Wie auch? Es ist noch lange nicht Mittag.
    Nach diesem Tag werde ich mich auf meinem Sterbebett nicht zurücksehnen, das weiß ich jetzt schon.

[zur Inhaltsübersicht]
4. Der Gesang der Seevögel
    Oma war nicht vom Malkurs abzuhalten, ich habe sie gegen zehn Uhr vor dem eleganten, weißen «Museum Kunst der Westküste» in Alkersum abgesetzt. Wenigstens ist Jade bei ihr. Ich habe meiner Cousine zur Sicherheit noch einmal meine und Marias Handynummer gegeben. Zum Glück ist heute, wie jeden Samstagnachmittag, Chorprobe mit den «Seevögeln», das wird mich ablenken.
    Wie eine kleine Möwenkolonie stehen wir zu acht dicht nebeneinander auf der Deichkrone und stemmen uns gegen den Sommersturm. Das Meer schäumt und bäumt sich mächtig auf, wie es sich für eine echte Sturmflut gehört. Der Wind kommt aus Russland, das gerade unter einer Hitzewelle leidet. Die Luft hat sich über der Nordsee angenehm abgekühlt und wurde mit einer Prise Salz und Jod veredelt. Wenn ich tief einatme und die Augen schließe, wird mein Körper bis in den letzten Winkel mit frischem Sauerstoff geflutet. Nach einer Weile bin ich so euphorisch, dass ich glaube, fliegen zu können.
    Wütende Wellen mit Schaum auf den Kronen lecken gierig am Deichsaum
    Wir halten dagegen. Nicht, dass sich der Sturm davon beeindrucken ließe, aber wir halten ihm stand.
    Direkt neben mir brummt der dicke Autohändler Brar seinen Bass mit der Kraft eines tiefen Schiffshorns, an seiner Seite steht der dünne Karl vom Wyker Standesamt. Gerda und Annalena zaubern mit ihren Ende fünfzig einen fast schwarzen Alt hin, absolut überraschend bei zwei blond gefärbten Landfrauen aus der Milchwirtschaft. Die mollige Stationsschwester Antje vom Inselkrankenhaus steht im Sopran neben Museumsaufsicht Friederike mit den weizenblonden Zöpfen. Die Einsätze gibt uns Vogelwart Markus, der mich im Tenor unterstützt.
    Unsere Stimmen summen leise und trotzdem mit aller Kraft, die wir besitzen: «Nothing compares to you». Wie ein wehrhaftes, elegantes Boot gleiten wir gegen den Wind durch das Lied.
    Der Wind dreht sich.
    Von Norden nähert sich eine giftschwarze Welle, die einige Kilometer hoch ist und so breit wie der Horizont! Wir «Seevögel» stehen plötzlich genau in der Mitte zwischen Sommerlicht rechts und Inferno. Der Verstand sagt mir, das ist keine Welle, sondern eine riesige Regenfront, aber meine Augen sind nicht sicher, denn die Wolken steigen ohne Übergang aus der dunklen See.
    Schon die ersten Tropfen sind doppelt so schwer wie bei einem normalen Regen. Dann geht es ohne Übergang heftig zur Sache. Wir rennen vom Deich zu unseren Autos zurück. Beim Sprint zu Marias Mini werde ich auf wenigen Metern pitschenass. Als ich die Tür zuknalle, hole ich erst einmal tief Luft und wische mir die Feuchtigkeit von der Stirn, während sich der Regen krachend und trommelnd auf dem Autodach austobt. Plötzlich klopft es von draußen wild an der Beifahrerscheibe. Ich erkenne schemenhaft eine Frau. Eine Sekunde
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