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Ein Strandkorb für Oma

Ein Strandkorb für Oma

Titel: Ein Strandkorb für Oma
Autoren: Janne Mommsen
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auf.
    «Petersen hat mich angerufen, als ihr in Dagebüll an Bord gegangen seid.»
    Ich schaue zur Brücke hoch. Den grauhaarigen Kapitän Petersen kenne ich vom Sehen, er singt im örtlichen Shantychor «Die Knurrhähne», die zu jedem Hafenfest auftreten.
    «Kinder, jetzt frühstücken wir erst einmal, oder was denkt ihr?»
    Sie deutet auf den großen Picknickkorb zu ihren Füßen.
    «Frische Brötchen, Krabben, Marmelade, alles dabei. Jade, du magst doch Krabben?»
    «Bestimmt.»
    Die Müdigkeit ist bei uns allen verflogen.
    Außer bei Maria, die blöderweise gleich Tagschicht hat. Die Arme gähnt, was das Zeug hält. Das wird hart für sie.
    Maria nimmt mich beiseite und umfasst meine Hüften.
    «Mach dir keine Gedanken, Sönke», flüstert sie. «Wir bleiben zusammen in unserem Haus.»
    Das höre ich natürlich gerne. Aber macht sie sich da nichts vor?
    «Falls du nicht versetzt wirst.»
    Maria legt ihre Wange an meine Wange.
    «Mach dir keine Sorgen. Bis heute Abend ist das geklärt.»
    Sie gähnt erneut und gibt mir einen Kuss.
    «Ich koche uns was!», verspreche ich.
    Dann verabschiedet sich Maria von Oma und Jade und schlendert zum Polizeirevier, das direkt gegenüber am Sporthafen liegt. Bis heute Abend entscheidet sich Marias Schicksal auf der Insel, und ich kann nichts tun außer warten.
     
    Oma steigt in den Mini, und wir fahren nach Nieblum. Das kleine Reetdachhaus, in dem Maria und ich wohnen, ist umgeben von einem verwilderten Grundstück. Es besitzt nur zwei Zimmer und einen halb fertigen Wintergarten, der mit einer durchsichtigen Plastikplane abgedeckt ist. Auf dem Dach liegt frisches Reet, das Arne letzten Winter aufgetragen hat. Als ich die Tür öffne, rieche ich noch ein bisschen das Avocadobad, das Maria vor unserer Abreise zum Hamburger Flughafen genommen hat.
    «Wir haben gedacht, du schläfst im Schlafzimmer. Ist das o.k.?»
    Jade sagt gar nichts, sondern inspiziert misstrauisch den Raum. Ein frisch bezogenes Bett, ein Kleiderschrank, die Fenster nach Norden, sodass sie nicht vorzeitig von der Sonne geweckt wird. Ach ja, über dem Bett hängt eine Urlandschaft in Tonfarben, Oma hat uns dieses Bild ihres Lieblingsmalers Stefan Brée aus Hannover zum Einzug geschenkt.
    Jade schmeißt ihren Koffer aufs Bett.
    «O.k.?», frage ich noch einmal.
    «Für zwei Wochen wird es gehen», kommt von ihr.
    Sie tut so, als hätte ich ihr gerade einen Pappkarton über einem Lüftungsschacht angeboten. Langsam mache ich mir ernsthaft Sorgen. Föhr bietet unter anderem das Wattenmeer, riesige Himmel, tolle Strandbars, Bootstouren und vieles mehr. Alles grandios und einzigartig, aber das scheint Jade kein bisschen zu beeindrucken. Zwei Wochen!
    «Sag mal, Jade, wie nennt sich die Mode, die du trägst?»
    So direkt darf wohl nur Oma fragen.
    «Gothic.»
    «Und was bedeutet das? Darfst du kein Fleisch essen? Oder betest du zum Satan?»
    Jade lacht (tatsächlich, sie lacht!).
    «Mit Geistern liegst du gar nicht so falsch. Wir beschäftigen uns mit der dunklen Seite des Lebens.»
    Mit Oma redet Jade ganz normal.
    «Tod und Vergänglichkeit?»
    «Ja.»
    «In deinem Alter?», wundert sich Oma. «Das ist ungewöhnlich. Ich muss mich mit 76 ja langsam für die Abreise klar machen, aber ihr doch nicht! Trotzdem, ich finde das nicht schlecht, besser als Saufen.»
    Jades Bier am Flughafen will ich jetzt mal nicht verpetzen.
    «Und wo trefft ihr euch so? Ich meine, über so was quatscht man ja kaum bei McDonalds oder im Supermarkt.»
    «In Frankfurt gibt es Super-Friedhöfe mit alten, tollen Gräbern und großen Mausoleen. Da hängen wir die ganze Zeit ab.»
    Oma schaut Jade an und überlegt.
    «Weißt du was, mien Deern? Wir holen zum Frühstück noch ein paar Verwandte dazu.»
    «Wie meinst du das?», mische ich mich ein, «Arne und Regina schlafen noch.»
    Arne ist, wie gesagt, gleichzeitig mein Onkel und Marias Adoptivvater, und Regina ist meine Tante.
    «Die meine ich nicht.»
    «Wen dann?»
    Sie zieht sich ihre Jacke an.
    «Kommt, wir machen ein Picknick!»
    «Draußen ist Sturm, Oma.»
    Der Wind pfeift heftig ums Haus.
    «Aber es ist nicht kalt.»
    Ich kapiere immer noch nicht.
    «Willst du auf den Deich?»
    «Nein, zu unseren Verwandten. Nach Süderende.»
    Sie zwinkert mir zu.
    Darauf hätte ich auch gleich kommen können.
    Oma hat sofort den Platz im Sinn gehabt, an dem Jade mit Sicherheit auf Föhr andockt.
    Also wieder rein in den Mini. Die Bäume biegen sich im starken Westwind. Oma freut sich über den
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