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Ein Strandkorb für Oma

Ein Strandkorb für Oma

Titel: Ein Strandkorb für Oma
Autoren: Janne Mommsen
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Wintergarten. Ich schätze, er ist ungefähr zehn Jahre älter als wir, so Mitte vierzig. Auch in seinem dunklen Anzug wirkt er durchtrainiert wie ein Athlet. Sein rechter hellbrauner Mokassin-Schuh sieht komplett durchgeweicht aus, er scheint im Garten in eine Pfütze getreten zu sein. Was sucht der Typ hier?
    «Moin, Tobi!», sagt Maria. Ach, sie kennt ihn?
    «Tag», antwortet er und mustert mich durch eine schwarze Designerbrille.
    «Das ist Sönke – Tobias», stellt Maria uns sehr knapp vor.
    Tobias drückt meine Hand.
    «Bundeskriminalamt», sagt er, als hätte das hier, im privaten Rahmen, irgendeine Bedeutung. Und Maria ergänzt:
    «Wir kennen uns von der Polizeischule. Bevor Tobias zum BKA aufgestiegen ist.»
    «Ah ja.» Maulfaul kann ich auch. Der Typ soll einfach verschwinden.
    «Wie siehst du überhaupt aus?», mokiert sich Maria.
    Tobias schaut an sich herunter.
    «Ich habe mich mit Kaffee eingesaut. Es ist mir sehr unangenehm», sagt er, «aber ich bin heute mit dem Heli hierhergeflogen, und die haben meinen Koffer mit den Wechselsachen am Flughafen vergessen.»
    Maria wendet sich an mich: «Kannst du Tobias nicht mit Klamotten aushelfen? Ihr habt doch ungefähr dieselbe Figur.»
    Tobias und ich schauen uns stumm an.
    Ich bin eigentlich nicht unzufrieden mit mir, aber der Herr Bundeskriminalbeamte verbringt offensichtlich einige Zeit beim Krafttraining, und es sieht leider nicht einmal übertrieben aus, sondern sehr dynamisch.
    Auf seinem dunklen Anzug ist der Kaffeefleck kaum auszumachen, ich verstehe die Aufregung nicht ganz. Egal, ergeben trotte ich mit ihm ins schattige Schlafzimmer, was mir merkwürdig vorkommt mit einem Fremden, den ich vor zehn Sekunden das erste Mal gesehen habe. Im Klamottentauschen sind Mädchen geübter, von Jungen habe ich das selten gehört. Vielleicht mal eine Jacke oder einen Pullover, wenn es kalt wird – aber Unterhosen und Strümpfe?
    «Was brauchst du?», frage ich.
    Er scannt meinen Schrank ab.
    «Den schwarzen Anzug da, einmal Jeans und Sweatshirt, wenn du hast.»
    Der Fremde will meinen besten, teuersten Anzug haben? Den ich in meinem Lieblingsladen in Hamburg gekauft habe? Der so leicht ist, dass du ihn gar nicht merkst, wenn du ihn trägst? Wenn ich mir vorstelle, dass der bei einer Verfolgungsjagd zu Schaden kommt …
    «Sweatshirt habe ich nicht, höchstens eine Trainingsjacke.»
    Der Totenkopf des 1.  FC St. Pauli ist oben rechts etwas abgeblättert, was ihn aber nicht zu stören scheint.
    «In Ordnung.»
    Tobias riecht nach Rasierwasser, teuer, aber überhaupt nicht meine Marke. Das bleibt doch nicht in meinen Klamotten hängen?
    Er zieht seinen Anzug mit dem unsichtbaren Kaffeefleck aus.
    «Und? Was macht der Bilderklau?», erkundige ich mich.
    «Der Täter muss gewusst haben, dass die Alarmanlage heute ausgeschaltet ist.»
    «Leichte Beute, was?»
    «Na ja, es waren extra zwei Wachmänner für die Bewachung abgestellt worden. Leider hing das Gemälde in einem abgelegenen Gebäudeteil.»
    Wie hätte unsere Oma professionelle Wachmänner austricksen können?
    «Wie wertvoll war das Bild denn?»
    «Kann man nicht genau sagen, auf jeden Fall weit im sechsstelligen Bereich.»
    Ich pfeife durch die Zähne.
    «Also Profis?»
    «Oder ein Gelegenheitsdieb, kann ich noch nicht sagen.»
    Ich deute auf seine Hose.
    «Der Reißverschluss.»
    «Wie? Ach ja.»
    Er zieht ihn hoch.
    Wir gehen zurück in den halbfertigen Wintergarten. Maria hat die Tagliatelle bereits ins kochende Wasser geworfen. Sie lächelt Tobias einladend an: «Willst du mit uns essen?»
    Das kann nicht ihr Ernst sein.
    Tobias schaut auf die Uhr.
    «Keine Zeit.»
    Gut so!
    «Maria, du musst mit.»
    «Ich habe Dienstschluss.»
    «Ich brauche dich dringend.»
    Hey, Meister, ich brauche Maria dringender!
    «Essen müssen wir sowieso.»
    Prinzipiell glaube ich an Gott, aber hier komme ich ins Zweifeln: Ist es Teil des göttlichen Plans, dass Maria mit einem Kollegen vom Bundeskriminalamt verschwindet? An dem Abend, an dem wir über unsere Zukunft reden müssen? Ich bin stinkesauer.
    «Das könnt ihr vergessen, weil ich das nur für uns gekocht habe, Maria. Und nicht dafür, dass du das mit einem hektischen BKA -Bullen runterschlingst wie einen Hamburger im Drive-in.»
    Natürlich sage ich das
nicht
, sondern murmle: «Ist ja genug da.»
    «Erst klaue ich deine Klamotten, und dann futtere ich dein Essen auf», sagt Tobias. In Wirklichkeit ist es ihm kein bisschen peinlich, aber immerhin tut er so als
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