Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Strandkorb für Oma

Ein Strandkorb für Oma

Titel: Ein Strandkorb für Oma
Autoren: Janne Mommsen
Vom Netzwerk:
ob.
    «Ach was, setz dich.»
    Gespielte Großzügigkeit meinerseits.
    «Aber nur kurz.»
    Tobias setzt sich auf meinen Platz, Maria verschwindet schnell im Badezimmer.
    Wie teilt man zwei Heilbutte in gerechte drei Stücke? Zumal, wenn sie nicht filettiert sind und einem der Gast kritisch auf die Finger schaut?
    «Was war das überhaupt für ein Bild, das geklaut wurde?», erkundige ich mich.
    «Es heißt ‹Friesisches Mädchen›, von Otto Heinrich Engel.»
    Ich bekomme sofort einen trockenen Mund.
    «Welche? Engel hat mehrere gemalt.»
    Eine böse Ahnung kriecht in mir hoch.
    «‹Friesisches Mädchen› von 1940.»
    «Ein Mädchen mit weißer Schürze und Zöpfen, mit einer Kastanie im Hintergrund?»
    «Woher kennst du das?», staunt Tobias. «Es ist erst vor kurzem wieder aufgetaucht.»
    Mir wird schlecht.
    Es ist ein blöder Zufall und doch wieder nicht.
    Die Riewerts waren weder Großgrundbesitzer oder Intellektuelle, noch verkehrten sie mit berühmten Leuten. Bis auf den Maler Otto Heinrich Engel, der damals in Berlin hoch geschätzt und berühmt war. Den hatten sie zufällig kennengelernt, weil er einige Sommer auf Föhr verbracht hat. Omas Eltern, die einen kleinen Lebensmittelladen in Wyk besaßen, wollten ihrer Tochter zur Einschulung etwas Besonderes antun. Deswegen hat meine Urgroßmutter meine Oma im Alter von sechs in das Glücksburger Atelier von Engel gebracht, um sie malen zu lassen. Das muss um 1940 gewesen sein. Das Bild ist im Krieg verschollen, bevor Omas Mutter es bezahlen konnte, Oma hat mir mal davon erzählt.
    Was sage ich jetzt bloß? Ich hätte nie von diesem Bild anfangen sollen …
    «Och, Engel war ja damals oft auf der Insel. Und alle reden immer von diesem verschollenen Bild», murmele ich.
    «Wer genau?», bohrt Herr BKA .
    «Na, alle.»
    Er lässt nicht locker.
    «Zum Beispiel? Ich muss das wissen, vielleicht hilft es uns weiter.»
    «Niemand Spezielles. Reden eben alle so daher.»
    Im Zusammenhang mit der DVD mag ich an keinen Zufall mehr glauben, am Ende hat Oma wirklich etwas damit zu tun! Und die Forderung nach den alten Postleitzahlen entspricht durchaus ihrem Humor.
    Zum Glück kommt Maria in diesem Moment zurück. Sie hat sich frisch geschminkt und legt ihre Hand auf meine Schulter.
    «Ist das ein Verhör?», wundert sie sich.
    «Ich bin für jeden Hinweis dankbar», sagt Tobias und entspannt sich wieder.
    «Geschichten über diesen Engel kursieren hier Tausende», rettet mich Maria, die nichts von Oma und dem Bild weiß. «Er war der bedeutendste Maler, der je auf der Insel war.»
    «Allerdings», bestätige ich.
    Maria setzt sich neben Tobias.
    Ich zucke zusammen, als sein Handy klingelt. «Habt ihr was …?», ruft er hinein und springt dann auf: «Ich komme.»
    Vor meinem geistigen Auge führen in diesem Moment grimmige Polizisten meine geliebte Oma in Handschellen aus ihrer Wohnung. Bitte nicht!
    Tobias wendet sich an Maria. «Tut mir leid, aber die Leute vom Malkurs machen Terz, weil sie nach Hause wollen. Immerhin sitzen die seit heute Mittag da. Komm, Maria, je schneller wir die Aussagen der Zeugen haben, desto schneller haben wir den Täter. Ich brauche ein möglichst lückenloses Bewegungsprofil von sämtlichen Leuten, die im Museum waren.»
    Eigentlich ist es rätselhaft, dass die Polizei nicht längst auf die Spur eines asiatisch aussehenden Gothic-Mädchens mit ihrer viel zu jugendlich gekleideten Großmutter gekommen ist. Auffälliger geht es kaum.
    «Klar», bestätigt Maria und rennt zum Küchenschrank. Sie schiebt ihre und Tobias’ Portion in zwei Tupperboxen, dann zieht sie mich zu sich.
    «Ich weiß, es ist
unser
Abend, Sönke», flüstert sie mir ins Ohr. «Normalerweise würde ich ihn zum Teufel schicken. Aber ich will lieber dranbleiben, auch für uns.»
    Plötzlich werden ihre Augen feucht, was ich von ihr gar nicht kenne: «Sönke, ich will weiter mit dir hier leben.»
    «Ich doch auch», sage ich. An mir liegt es ja nicht.
    Sie gibt mir einen Kuss, dann verschwindet sie mit Tobias vom obersten Kriminalamt, der einen schwarzen Dienst- BMW mit aufheulendem Motor in Bewegung setzt.
     
    Viele Feriengäste kommen Jahr für Jahr nach Föhr, um alle Betriebssysteme herunterzufahren und tiefenentspannt zurückzukehren. Und tatsächlich kehren die meisten mit neu aufgeladenen Batterien zurück. Warum gelingt mir das nicht, wo ich doch an der Quelle der Ruhe wohne? In einem idyllischen Reetdachhaus, hundert Meter vom Weltkulturerbe Wattenmeer entfernt?
    Es
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher