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Ein Sommer unwahrscheinlichen Gluecks

Ein Sommer unwahrscheinlichen Gluecks

Titel: Ein Sommer unwahrscheinlichen Gluecks
Autoren: Laura Mundson
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kann wohl nie wiedergutmachen, was ich dir damit angetan habe. Aber es ist einfach die Art, wie ich immer mit solchen Situationen umgegangen bin. Ich muss am absoluten Tiefpunkt ankommen, und dann, wenn ich mir eine blutige Nase und jede Menge Wunden geholt habe, dann geht es wieder aufwärts mit mir.«
    Gnade. Endlich hat er sein Herz in der Hand. Ich denke an den herzförmigen Stein auf dem Grund des Flusses. Ich frage mich, ob er es wohl jemals bis ins Meer schaffen wird.
    Aber so möchte das leidende Ich damit umgehen. Es möchte einen Wutanfall inszenieren: Das ist alles?! Das ist alles, was du dazu zu sagen hast??!! Na, dann herzlichen Dank für die Aktennotiz, Mr. Phönix aus der Asche. Du hast mir den Sommer ruiniert. Wegen dem Stress, den du mir gemacht hast, habe ich inzwischen wahrscheinlich einen Hirntumor. Ganz
zu schweigen von den Auswirkungen auf die Kinder. Und jetzt soll ich wohl auch noch Mitleid für dich aufbringen, weil du endlich dahintergekommen bist, dass du dich in den letzten drei Monaten wie ein zwanzigjähriger Verbindungsstudent aufgeführt hast? Blutige Nase und andere Wunden, meine Güte. Das ist doch bloß eine Geschichte, die du dir zurechtgelegt hast, um dich für deine Verantwortungslosigkeit zu rechtfertigen. Ich will eine Entschuldigung. Ich verdiene eine Entschuldigung. Ein klares: »Es tut mir leid.«
    Aber ich lege die Bremse ein. ICH WILL NICHT LEIDEN. Ich leugne nichts, nur weil ich meinen Mund halte, solange ich diese Gedanken von der Veranda meines Verstandes wegkehren kann. Wenn ich auf dieser sauberen Fläche ein paar wenige wahre Worte finde. Ich will sie wägen, bevor ich sie ausspreche, wenn überhaupt. Ich schütze mich vor Schmerzen, das ist meine oberste Priorität. Was er gerade gesagt hat, bietet einen riesigen Spielraum, und ja, vielleicht muss ich seine Worte erst entschlüsseln. Aber ich bin großartig im Dechiffrieren von Codes, wenn es um zwischenmenschliche Beziehungen geht. Die Strategie, dass man sich immer bis ins letzte Detail exakt ausdrücken muss, die hat ausgedient. Ich will wirklich, wirklich, wirklich nicht mehr leiden.
    Ach, dabei wäre es so verlockend.
    Aber so behalte ich meine Position in der Sonne bei und spüre den Massagestrom des Wassers an meinem Rücken. Ich hole einmal tief Luft. Dann denke ich an meinen Tee und daran, dass er inzwischen die perfekte Temperatur hat. Ich schlage die Augen auf, greife nach dem Teebecher und nehme einen großen Schluck. Dann stelle ich ihn zurück auf den Wannenrand, lehne den Kopf wieder in die Sonne und sage: »Eine Sache, die du vielleicht noch eingehender betrachten könntest, wäre dein Verhältnis zum Ärger.«

    Mehr nicht. Und das war absolut rational. Eine völlig unparteiische Aussage. Und eine wahre noch dazu. Ich widerstehe dem Drang, einen vierzigminütigen Vortrag darüber zu halten, was ich alles in der Therapie über Ärger und darüber, was er mit einem macht, gelernt habe. Sorgt todsicher dafür, dass man leidet. Fesselt einen an die Opferrolle.
    Mein Mann setzt zu einer Erwiderung an, was mich total erstaunt. Das könnte sich zu unserem ersten echten Gespräch dieses Sommers entwickeln – wenn man mal von dem ersten, dem schlechten (dem Auslöser), absieht. Dies ist ein gutes. Er sagt: »Darüber habe ich schon ein wenig nachgedacht. Und ich bin durch mit der Verbitterung. Ich befinde mich wirklich an einem Scheideweg. Einem echten Neubeginn.«
    Daraufhin sehe ich ihn direkt an. Aber ich sage nichts. Eine ganze Weile lang. Ich sitze da und spüre, wie es sich anfühlt, mir selbst zu vertrauen. Die alleinige Besitzerin meines Glücks zu sein. Schließlich sage ich: »Es fühlt sich gut an, für sein eigenes Glück verantwortlich zu sein. Es fühlt sich gut an, 42 zu sein. Das habe zumindest ich gelernt.« Damit lehne ich mich zurück und schließe wieder die Augen.
    »Stimmt schon«, sagt er. »Ich wünschte nur, mein Rücken würde nicht so wehtun. Und wir wären nicht so pleite. Und meine Schwester würde nicht sterben. Und ich wüsste, was ich mit dem Rest meines Lebens anfangen soll.«
    Ich muss daran denken, wie er mit zwanzig war. Und an uns als gleichwertige Partner. Dann sage ich: »Du kannst alles sein, was du sein willst.«
    Genau betrachtet, was brauche ich denn noch mehr als Entschuldigung? Die Polizei und die Bewährungshelferin und Sheila sind nach Hause gegangen. Wir brauchen sie nicht mehr. Sie haben sowieso nie etwas anderes getan, als uns die
Ohren vollzubrüllen und
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