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Ein schwarzer Vogel

Ein schwarzer Vogel

Titel: Ein schwarzer Vogel
Autoren: A. A. Fair
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Sharples und Shirley sich sehr
nahestanden.«
    »Meinen Sie, daß ihre
Beziehungen intim waren?«
    »Das kann ich nicht behaupten.«
    »Aber ich behaupte es.«
    »Ich weiß es nicht, und Robert
Cameron wußte es auch nicht. Aber er hatte wohl diesen Verdacht.«
    »Weiter, wissen Sie noch mehr?«
    »Cameron und Sharples waren
miteinander befreundet, nicht sehr eng, aber sie kamen gut miteinander aus. Mr.
Cameron lebte sehr zurückgezogen, ganz im Gegensatz zu Mr. Sharples. Dann muß
irgend etwas zwischen ihnen vorgefallen sein, aber ich weiß nicht, was es war.
Jedenfalls ließ Mr. Cameron meine Mutter zu sich kommen.«
    »Wann war das?«
    »Am Morgen seines Todestages.«
    »Ging Ihre Mutter zu ihm?«
    »Ja.«
    »Um welche Zeit?«
    »Gegen halb zehn.«
    »Weshalb wollte er sie sprechen?«
    »Ich weiß es nicht. Es kann
doch nicht dabei geschehen sein, Donald?« fragte sie voll ängstlicher Spannung.
    »Nein, wenn Ihre Mutter
wirklich um halb zehn bei Cameron war, nicht.«
    »Mir gegenüber hat sie
behauptet, sie war um diese Zeit bei ihm.«
    »Wann hat sie Ihnen das
gesagt?«
    »Am gleichen Nachmittag. Sie
war sehr erregt, fast hysterisch. Daran erkannte ich, daß etwas Schreckliches
geschehen sein mußte. Sie versuchte ständig, Sharples anzurufen, konnte ihn
aber nicht erreichen. Dann telefonierte sie mit Shirley und wollte zu ihr
gehen, aber Shirley wollte sie erst am nächsten Tag sehen.«
    »Weiter, Dona, weiter!«
    »Schließlich erreichte sie
Sharples am Telefon, und er sagte ihr etwas, das sie sehr beruhigte. Sie war
zwar auch nachher immer noch sehr er r egt, aber sie schien wieder
Hoffnung zu haben.«
    »Wissen Sie, was Sharples ihr
sagte? Weshalb sie wieder hoffnungsvoller wurde?«
    »Nein, sie sagte mir kein Wort
darüber.«
    »Um welche Zeit war das?«
    »Am Nachmittag. Ganz genau kann
ich es nicht sagen.«
    »Erzählen Sie mir mehr über
Shirley.«
    »Shirley ist — nun, sie tritt
wie eine Fürstin auf. Ich vermute, daß Mutter sie manchmal langweilt. Trotzdem
scheint Mutter Shirley aufrichtig gern zu haben. Sie stellt mir Shirley immer
als Vorbild hin. Sie bewundert Shirley, ihr Auftreten, ihre Sicherheit und ihre
Art, mit Menschen umzugehen. Mich würde ein solches Leben verrückt machen.«
    Ich ließ mir alles durch den
Kopf gehen, was sie gesagt hatte. »Vielleicht kommen wir jetzt der Sache näher.
Aber etwas brauche ich noch.«
    »Was ist das?«
    »Daß Sie mit mir sofort einen
Besuch machen.«
    »Bei wem?«
    »Bei einer Señora Lerida.
Wissen Sie, wer das ist?«
    »Lerida?« sagte sie
nachdenklich. »Nein, ich kann mich nicht an eine Señora Lerida erinnern. Wohnt
sie hier in Los Angeles?«
    »Ja.«
    »Weshalb wollen Sie mit ihr
sprechen?«
    »Ich will ein paar Fragen an
sie richten.«
    »Und warum soll ich dabeisein?«
    »Ich brauche einen Zeugen und
einen Dolmetscher.«
    »Aber warum gerade mich?«
    »Weil ich glaube, daß es für
Sie sehr interessant sein wird.«
    »Also gut!« sagte sie
entschlossen. »Ich gehe mit Ihnen. Nur, ich werde nichts tun, was meiner Mutter
schaden wird, falls sie...«
     
     
     

Vierundzwanzigstes
Kapitel
EINE
ÜBERRASCHENDE ZEUGIN
     
    S eñora Leridas Wohnung lag in
einem Viertel mit vernachlässigten und stark reparaturbedürftigen Häusern. In
dieser Gegend versuchten die Hausbesitzer erfolgreich, so viel Miete wie nur
möglich aus ihren Häusern herauszuschlagen, ehe sie abgerissen wurden. Das
Viertel hatte Lagerhäuser und kleine Fabriken angezogen, die wegen ihres Lärms und
der unliebsamen Gerüche, die sie verbreiteten, in keiner anderen Gegend
geduldet wurden. Der Wert der Grundstücke war dort so hoch, daß niemand mehr
neue Wohnhäuser baute. Die noch vorhandenen waren seit Jahren dem Verfall
überlassen worden und warteten auf den Abbruch.
    Das Haus, das wir suchten,
hatte seit Jahren keinen Tropfen frische Farbe mehr gesehen. Die vorgelagerte
kleine Holzveranda war brüchig, die Stufen, die zu ihr hinaufführten,
windschief und ausgetreten. Da an der Tür keine Klingel angebracht war, klopfte
ich.
    Als nichts geschah, schlug ich
nochmals gegen die Tür. Wir lauschten angestrengt. Die Trostlosigkeit, die über
dem ganzen Viertel lag, schien auf uns überzugreifen.
    Der Wind trieb die Gerüche der
Müllverbrennungsanlage der Stadt, die in unmittelbarer Nähe liegen mußte, zu
uns herüber.
    Erst als ich schon im Begriff
war, unseren Versuch aufzugeben, wurde mir wieder bewußt, welche Bedeutung ich
den Aussagen dieser Señora Lerida beigemessen hatte.
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