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Ein schwarzer Vogel

Ein schwarzer Vogel

Titel: Ein schwarzer Vogel
Autoren: A. A. Fair
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Entmutigt und bedrückt
wollte ich schon zu unserem Wagen zurückkehren, aber Dona hielt mich davon ab.
    »Versuchen wir es noch einmal«,
schlug sie vor, »vielleicht ist sie alt und schwerhörig. Klopfen Sie lauter.«
    Ich donnerte mit der Faust
gegen die Tür.
    Wir lauschten dem verhallenden
Klang. Dona hatte nun meinen Arm gepackt und wagte kaum zu atmen.
    »Ich höre etwas«, flüsterte sie
erregt. »Es kommt jemand.«
    Jetzt vernahm auch ich das
Schlurfen von Pantoffeln, die ohne Eile und ohne jede Kraft über den nackten
Bretterfußboden näher kamen.
    Die Tür wurde geöffnet, und
eine rauhe, heisere Frauenstimme fragte: »Wer ist da?«
    Diese Stimme verriet vieles.
Sie gehörte einem Menschen, mit dem man nicht verhandelte, den man nicht bat,
weil er nur auf Befehle zu reagieren gewohnt war. Es mußte ein Mensch sein, den
man immer unterdrückt und hin und her gestoßen hatte.
    Ich drückte die Tür auf und
erklärte: »Wir kommen mal herein, wir wollen mit Ihnen sprechen.«
    Widerspruchslos wurden wir
eingelassen. Ich ergriff Dona beim Arm und schob sie durch die Tür. Der Geruch
von billigem, abgestandenem Fusel schlug uns entgegen. Aus dem Hintergrund des
Hauses schimmerte durch eine geöffnete Tür der schwach rötliche Schein einer
nackten Glühbirne, die an einer knotigen, graugrünen, von Fliegenschmutz
bedeckten Schnur baumelte. Wir gingen auf das Zimmer zu.
    Die Bewohnerin des Hauses kam
uns ergeben nachgeschlurft. Wir betraten den offenbar einzigen möblierten Raum
der Wohnung, der gleichzeitig als Küche, Wohnzimmer und Schlafzimmer diente.
Von dem Spülbecken war der letzte Rest Emaille schon lange abgestoßen, es
bestand nur noch aus einer Anhäufung rostroter Flecken. Ein paar Stühle in den
verschiedensten Stadien des Verfalls standen umher. Die eiserne Bettstelle war
einmal weiß gewesen und zeigte jetzt ein trübes, schmutziges Grau. Auf dem Bett
lag ein Kissen in einem fleckigen Überzug. Bettlaken waren nicht da, sondern
nur dunkle Decken und eine zerrissene und abgenutzte Steppdecke.
    Die Frau war in den Schein der
Glühbirne getreten. Sie war alt, und man merkte, daß das Leben nicht gerade
freundlich mit ihr umgegangen war. Schwere Tränensäcke hingen unter ihren
glanzlosen Augen, ihr weißes Haar war strähnig und ungepflegt. Ihr runzliges,
dunkles Gesicht mit seinen groben Zügen ließ ihre überwiegend indianische
Abstammung erkennen, der ein Schuß spanisches Blut beigemischt war.
    Ich deutete auf einen Stuhl und
befahl ihr: »Setzen Sie sich«, so, als ob ich der Herr im Hause sei. Sie
gehorchte, wie ich ihr geheißen hatte, und sah mich mit ruhiger, gelassener
Neugierde an.
    Hinter ihr stand unter dem
Spülbecken ein Eimer, der bis zum Rand mit Abfällen und Kehricht gefüllt war.
Der Hals einer leeren Schnapsflasche ragte daraus hervor. Daneben stand eine
weitere, halbleere Flasche.
    »Kennen Sie Felipe Murindo?«
    Sie nickte langsam mit dem
Kopf.
    »Seit wann kennen Sie ihn?«
    »Er ist mein Sohn.«
    »Schickt er Ihnen Geld?«
    Zum ersten Male belebten sich
ihre trüben, wäßrigen Augen. »Warum wollen Sie das wissen?« fragte sie
vorsichtig. »Wer sind Sie?«
    »Wer gibt Ihnen noch Geld?«
fragte ich weiter.
    Sie gab keine Antwort.
    »Ich bin gekommen, um Ihnen zu
helfen. Es ist eine Schande, daß Sie in dieser Umgebung leben müssen.« Ich
deutete mit einer Bewegung meiner Hand durch den Raum.
    »Das macht nichts«, erwiderte
sie unberührt. »Mir ist es gut genug.«
    »Es ist nicht gut genug für
Sie«, widersprach ich. »Sie sollten sich besser kleiden, und Sie sollten
besseres Essen haben und eine Hilfe für die schwere Arbeit.«
    Sie zeigte keinerlei Bewegung.
»Das ist nicht nötig«, sagte sie. »Ich habe alles, was ich brauche.«
    »Wann waren Sie zum letzten
Male in Kolumbien?«
    »Ich kann mich nicht mehr
erinnern. Es ist lange her.«
    »Es ist schändlich, daß Sie
keine Gelegenheit haben, in Ihre Heimat zu reisen und Ihre Verwandten
wiederzusehen. Aber wenn Sie wollen, können Sie sich neue Kleider kaufen und
ein- oder zweimal im Jahr Kolumbien besuchen.«
    Jetzt leuchteten ihre Augen
auf. »Wer sind Sie?« fragte sie. »Wie soll das möglich sein?«
    »Wenn Sie sich mir anvertrauen,
werde ich dafür sorgen. Sie wollen doch nach Kolumbien, oder nicht?«
    »Sprechen Sie Spanisch?« fragte
sie.
    »Ich nicht, aber meine
Begleiterin.«
    Die alte Frau wandte sich auf
spanisch an Dona. Langsam und abgehackt kamen die Worte aus ihrem Munde. Für
meine Ohren war es nur
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