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Ein Schöner Ort Zum Sterben

Ein Schöner Ort Zum Sterben

Titel: Ein Schöner Ort Zum Sterben
Autoren: Granger Ann
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die Stirn. Unter seiner Berührung zuckte sie zusammen.
    »Ich möchte Katie noch sehen, wenn ihr wieder da seid! Sag ihr, sie soll in mein Schlafzimmer kommen und mir gute Nacht sagen.«
    »Ja. Natürlich.« Sie hatte ihn seit Ewigkeiten nicht mehr zu sich eingeladen, doch das war ihm inzwischen egal. In dieser Hinsicht hatte er längst andere Arrangements getroffen. Er drückte ihre Hand flüchtig zum Abschied, und obwohl er schwitzte, war ihre Berührung kalt wie die einer Leiche. Matthew verließ den stickigen Salon. Im Flur war es kalt wie in einem Kühlschrank, doch er atmete erleichtert durch. Einen Augenblick lang blieb er stehen, allein, eingehüllt in die Stille und Leere des großen Hauses. In einer Ecke tickte leise eine große Standuhr und verkündete der Welt eine falsche Zeit. Die Uhr hätte als Symbol für das gesamte Haus stehen können – unzeitgemäß, fehl am Platz und ohne Aussicht auf Änderung. Jedenfalls nicht, soweit Matthew es zu beurteilen imstande war. Matthew wandte den Kopf nach links. Das Haus war heutzutage aufgeteilt – der Korridor war durch eine grüne Tür blockiert. Es hatte wochenlanger Diskussionen mit Addy bedurft, um sie einzubauen, ermüdender Diskussionen, durchbrochen von hysterischen Anfällen. Am Ende hatte Addy zugestimmt, weil dahinter die Büros lagen, von denen aus Matthew seine Geschäfte erledigte. Das ständige Klingeln der Telefone und das Geklapper der Schreibmaschine hatte sie gestört, am meisten jedoch die aufdringliche Nähe seiner Arbeits- und Geschäftswelt, dieses Eindringen von Realität in ihre Fantasiewelt. Adeline hatte der Tür zugestimmt, jedoch nur aus Furcht. Auch Matthew versteckte sich. Er versteckte sich hinter dieser Tür vor seinen häuslichen Problemen. Vertiefte sich mithilfe seiner Assistentin, Maria Lewis, in seine Arbeit. Maria lebte in einer abgeschlossenen Wohnung im zweiten Stock. Sie und Adeline begegneten sich niemals. Matthew rannte die breite Treppe hinauf und in den ersten Stock. Hinter der Tür lag eine weitere Wohnung, doch nicht so abgeschieden wie die Marias. Es war wichtig für die Familie, dass diese Räume zugänglich blieben. Hinter der Tür war das leise Geräusch eines laufenden Fernsehers zu hören, irgendeine Spielshow, Lachen, Applaus. Matthew klopfte.
    »Prue? Mrs. Conway möchte gleich zu Bett gehen.« Der Fernseher verstummte augenblicklich. Matthew hörte, wie sich auf der anderen Seite der Tür jemand rührte, dann antwortete eine ernste Stimme:
    »Ja, ich habe verstanden.«
    »Ich muss jetzt weg nach Bamford, um meine Tochter abzuholen.« Die Tür wurde geöffnet, und Matthew trat hastig einen Schritt zurück. Eine stämmige, tüchtig aussehende Frau in einem handgestrickten Pullover und Tweedrock erschien.
    »Dann mal los mit Ihnen«, sagte sie.
    »Keine Sorge, ich komme zurecht.«
    »Danke sehr, Prue.« Er zögerte, dann fügte er hinzu:
    »Ich bin Ihnen wirklich sehr dankbar. Ich weiß gar nicht, wie ich, wie wir ohne Sie …«
    »Ja, ja, gehen Sie schon!«, unterbrach sie ihn schroff. Als er die Haustür öffnete und ihm die kalte frische Nachtluft ins Gesicht wehte, hörte er Prue Wilcox hinter sich die Tür zum Salon öffnen und sagen:
    »Nun, wollen wir den großen Holzhügel hinaufsteigen, Liebes?« Es klang, als spräche sie mit einem Kind. Matthew zog die Haustür hinter sich ins Schloss und ging zum Wagen, während er in den Taschen nach seinen Schlüsseln kramte. So ging es einfach nicht mehr weiter. Die Situation war unerträglich. Der Schweiß auf seiner Haut wurde rasch unangenehm kalt in der nächtlichen Brise. Er rieb sich mit den breiten Händen über das Gesicht und fühlte sich mit einem Mal sehr alt, obwohl er erst achtundvierzig war. In den besten Jahren, verdammt noch mal! Und doch, wenn die Dinge so weiter liefen wie bisher, auf ihre unerbittlich vorhersehbare Weise, dann gab es nichts mehr, was das Leben für ihn noch bereithielt. Seine vergangenen Erfolge waren nur noch eine Erinnerung an den verlorenen Optimismus, und seine Zukunft war unentrinnbar mit Adeline verknüpft. Er war in einem kleinen Reihenhaus in einem Londoner Vorort aufgewachsen und hatte seinen Weg in die Welt aus eigener Kraft geschafft, nur mit seinem Verstand und seinem Talent. Er war stolz darauf. Er hatte Adeline eher zufällig kennen gelernt, auf irgendeiner Party, einer Versammlung, auf der er als Außenseiter gewesen war, verlegen und schüchtern zugleich. Adeline war ebenfalls schüchtern gewesen, obwohl sie
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