Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein schöner Ort zu sterben

Ein schöner Ort zu sterben

Titel: Ein schöner Ort zu sterben
Autoren: Malla Nunn
Vom Netzwerk:
und dieser Ort ihm ein Gefühl der Freude beschert hatte. Vielleicht hatte er sogar gelächelt, als die Kugeln ihn trafen.
    »Und?« Es war Erich, offenbar immer noch empört darüber, dass man ihn von der Vernehmung ferngehalten hatte.
    Emmanuel wandte sich zu den Brüdern um.
    »Nichts«, antwortete er.
    »Der einzige Grund, warum wir Pa noch nicht nach Hause gebracht haben«, belehrte ihn Henrick, »ist, weil er gewollt hätte, dass wir uns an die Regeln halten.«
    »Aber wenn Sie sowieso nichts rausfinden«, diesem Erich konnten jeden Moment die Sicherungen durchbrennen, »dann gibt es ja wohl keinen Grund, dass wir noch länger hier rumstehen, anstatt uns um unserem Pa zu kümmern.«
    Die lange Warterei auf den Großstadtbullen, der die Tat aufnehmen sollte, hatte die drei Brüder zermürbt. Emmanuel konnte sich gut vorstellen, wie sie gegen das so dringende Bedürfnis angekämpft hatten, den Captain auf den Rücken zu rollen, damit er besser Luft bekam.
    »Ich sehe mir noch kurz die Decke an, und danach bringen wir Ihren Vater sofort zurück in die Stadt«, versprach er, während Shabalala wieder zurückkam. »Hepple und Shabalala, Sie bleiben bei mir.«
    Sie marschierten hinüber zu der blutdurchtränkten Decke und beugten sich hinab. Der Stoff war grau, grob und kratzig, auf einem verrosteten Eisenblech hätte man nicht unbequemer sitzen können. Trotzdem kam keine Veranstaltung im Freien, kein Truck und kein Brai-Grillen ohne solche Decken aus.
    Rostbraune Blutflecke waren im Gewebe eingetrocknet und über den Rand in den Sand gelaufen. Tiefe Rinnsale schlängelten sich von der Decke bis hinunter zum Wasser, an mehreren Stellen waren sie unterbrochen. Der Captain war also erschossen, danach zum Fluss gezogen und ins Wasser gezerrt worden. Ein ziemlicher Kraftakt.
    »Was schließen Sie daraus?« Emmanuel deutete auf den blutdurchtränkten Stoff.
    »Woll’n mal sehen«, kombinierte Hansie. »Der Captain ist zum Angeln hergekommen, wie eigentlich jede Woche, und dann hat ihn jemand erschossen.«
    »Ja, Hepple, so weit, so gut.« Emmanuel warf einen verstohlenen Blick in Shabalalas Richtung. Wenn der Captain recht gehabt hatte, dann würde die Shangani-Seite in dem schweigsamen Schwarzen mehr erkennen als das, was an der Oberfläche lag. »Nun?«
    Der schwarze Polizist zögerte.
    »Sagen Sie mir, was Ihrer Ansicht nach geschehen ist«, ermunterte ihn Emmanuel, dem bewusst war, dass Shabalala nur ungern Hansies unterentwickelte Beobachtungsgabe bloßstellen wollte.
    »Der Captain wurde hier auf der Decke angeschossen und dann über den Sand ins Wasser gezogen. Aber der Mörder ist nicht stark.«
    »Wieso?«
    »Er musste sich viele Male ausruhen.« Shabalala deutete auf die flachen Dellen im Sand, wo die Blutspur auf ihrem Weg von der Decke bis zum Wasser abgebrochen war. »Diese Stiefelabdrücke hier stammen vom Captain. Hier wurde seine Leiche abgelegt. Hier war der Kopf.«
    In der Mulde lagen eine getrocknete Blutlache und ein verfilztes blondes Haarbüschel. Die Mulden tauchten immer öfter auf, und die größer werdenden Blutlachen lagen jetzt dichter beieinander, weil der Mörder angehalten hatte, um zu verschnaufen.
    »Da wollte jemand ganz sichergehen, dass der Captain nicht mehr zu den Lebenden zurückkehrt«, murmelte Emmanuel. »Sind Sie sicher, dass er keine Feinde hatte?«
    »Keine«, antwortete Hansie ohne Zögern. »Der Captain ist mit jedermann gut ausgekommen, sogar mit den Eingeborenen. Stimmt’s, Shabalala?«
    »Yebo«, bestätigte der schwarze Constable und starrte dabei auf den Tatort, der etwas anderes bewies.
    »In anderen Gemeinden gibt es vielleicht Ärger zwischen den verschiedenen Gruppen, aber bei uns nicht«, beharrte Hansie. »Das muss ein Fremder gewesen sein. Irgendeiner von woanders.«
    Ob nun Fremder oder Einheimischer, auf jeden Fall musste man ganz schön ausgekocht sein, um einen weißen Police Captain umzubringen. Und viel hatten sie noch nicht vorzuweisen. Wenn es ein Verbrechen aus Leidenschaft gewesen war, hatte der Mörder vielleicht Fehler begangen: kein Alibi, die Mordwaffe an einem offensichtlichen Ort versteckt oder getrocknetes Blut an den Schnürsenkeln. Bei einem vorsätzlichen Mord hingegen konnte der Täter nur durch penible Ermittlungsarbeit gefasst werden.
    »Durchkämmen Sie das Flussufer!«, wies Emmanuel Hansie an. »Laufen Sie bis zu dem Pfad, den die beiden Jungen hinaufgestiegen sind. Gehen Sie langsam! Wenn Sie etwas Außergewöhnliches finden, fassen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher