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Ein schöner Ort zu sterben

Ein schöner Ort zu sterben

Titel: Ein schöner Ort zu sterben
Autoren: Malla Nunn
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das Leben gerettet hatten.
    »Wie lange war ich weg?« Durch die Zweige eines stämmigen Baumes erkannte Emmanuel ein paar Fetzen Himmel. Er lag irgendwo im Busch, auf einem dünnen Lager und in Decken gewickelt.
    »Drei Tage«, antwortete Constable Shabalala. »Sie sind lange weggewesen, aber jetzt sind Sie wieder da.«
    »Und Davida?«
    »Fort.« Zweigman betastete die verletzten Stellen an Emmanuels Oberkörper. »Bald geht es Ihnen wieder gut genug, dass Sie verreisen können. Sie haben einen enormen Lebenswillen.«
    »Der Lieutenant und seine Leute sind auch fort«, sagte Shabalala. »Sie sind in vielen Wagen weggefahren und hatten den Kommunisten in Handschellen dabei. Viele Zeitungsfotografen sind ihnen gefolgt. Diese Leute sind jetzt die neuen Indunas.«
    Emmanuel ließ sich behutsam in eine sitzende Haltung helfen und schmeckte kühles Wasser in seinem Mund. Unter geschwollenen Augenlidern hindurch sah er sich um. Zu allen Seiten umgab ihn der Busch in breiten grünen und braunen Streifen. Golden strahlte die Landschaft auf und brannte so sehr in seinen Augen, dass er sie schloss.
    »Ich bin zurückgekommen …«, murmelte Emmanuel. Er hätte auch mit seiner Frau in England bleiben und sich an den Regen und die Kälte gewöhnen können. Aber er war zurückgekommen, obwohl er genau gewusst hatte, wie grausam das Land war und wie hart der Gott, der darüber herrschte.
    »Du liebst dieses gottverdammte Fleckchen Erde eben einfach«, meldete sich der Sergeant Major. »Genau hier wolltest du deinen Mann stehen und kämpfen. So einfach ist das.«
    »Sie haben mich fertiggemacht. Ich habe verloren«, sagte Emmanuel und musste an den Unschuldigen denken, dem jetzt für den Mord an Pretorius der Prozess gemacht wurde.
    »Er ist im Delirium«, diagnostizierte Zweigman, und sie legten ihn wieder auf die dünne Matte.
    »Und was ist mit Ihnen?« Emmanuel redete weiter mit dem Schotten. »Was machen Sie überhaupt hier?«
    »Du hast mich doch hergebeten«, erwiderte der Sergeant Major. »Aber ich glaube, jetzt brauchst du mich nicht mehr. Du hast ja jetzt den Deutschen und den Afrikaner. Also nur die Ruhe, Kleiner. Ruh dich ein Weilchen aus.«
    Zweigman prüfte den Puls des Detectives und wickelte ihn dann fest in die Decken ein. Wie er die Schläge überlebt hatte, grenzte an ein Wunder. Die Narben würde er sein Leben lang tragen, einige sichtbar und andere verborgen.
    »Eines Tages werde ich Ihnen erzählen, wie es dazu kam, dass ich mich in Jacob’s Rest versteckt habe«, sagte der Krämer. »Eines kann ich aber jetzt schon berichten: Meine Frau und ich gehen hier weg, und das ist sehr gut. Ich mache eine Praxis auf und fange noch einmal von vorne an. Ich habe beschlossen, doch wieder aufzustehen, selbst wenn ich noch einmal umgehauen werde.«
    »Warum?«
    »Man muss die Trauer an sich heranlassen und trotzdem an das Gute glauben. Was bleibt unsereinem denn sonst übrig, Detective?«
    Emmanuel tastete nach der harten Erde unter ihm und hörte, wie Shabalala in seinem tiefen Bariton ein Zulu-Lied anstimmte. Sein Leben hatte er einem Schwarzen und einem Juden zu verdanken, seine Wiedergeburt als Mann einer Farbigen. Und seinen verwundeten Körper hatte ein reinrassiger Bure hochgehoben und in Sicherheit getragen. Lauter kleine Bausteine, die allen Gesetzen der National Party zum Trotz doch zusammenpassten.
    Emmanuel schloss die Augen und schlief ein. Shabalalas Stimme trug ihn aus dem dunklen Keller seiner Träume ins Sonnenlicht empor. Er sah sich selbst auf der Lichtung im Busch liegen, geschlagen zwar, aber nicht besiegt. Zweigman hatte recht. Was blieb einem schon anderes übrig, als wieder aufzustehen und erneut gegen die ganze Welt anzutreten?
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