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Ein Schlag ins Herz

Ein Schlag ins Herz

Titel: Ein Schlag ins Herz
Autoren: Ilkka Remes
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auf.
    Patrik schwebte im Grenzbereich zur Bewusstlosigkeit. Er hatte nur einen einzigen Gedanken: Es war ihm nicht gelungen, Beate zu retten, hatte er es nun geschafft, Sandrine zu retten?
    Die Rotoren des Hubschraubers sorgten für einen Sandwirbel, der die Sicht auf die Erde verdeckte. Patrik lehnte halb liegend an der Metallwand.
    Die Soldaten nahmen ihre Schutzbrillen ab, ergriffen Sandrine und hoben sie auf ein Patientenbett, das aus Gurten bestand und von der Decke hing.
    Der Sanitätsleutnant und ein Soldat fingen an, die blasse, bewusstlose und über und über mit Blut bedeckte Sandrine zu versorgen. Ihre Bewegungen waren schnell. Der eine verband die Wunden, während der andere einen Tropf anbrachte. An der offenen Tür kauerte ein Soldat hinter einem Maschinengewehr. Er trug eine Schutzbrille und spähte nach unten, sein Finger lag auf dem Abzug.
    Patrik sah das Felsmassiv, aus dem man sie gerettet hatte, kleiner werden. Dabei kamen ihm die Ereignisse immer unwirklicher vor. Ein Gefühl von Hilflosigkeit überkam ihn. Es gab nichts mehr, was er tun konnte, er hatte alles versucht. Sandrines Schicksal lag nun in den Händen anderer.
    Unten bewegte sich etwas zwischen den Felsen. Sofort ratterte das Maschinengewehr neben Patrik los, der Lärm überlagerte sogar das Motorengeräusch. Hülsen flogen durch die Luft und landeten klimpernd auf dem Boden.
    So abrupt, wie er damit angefangen hatte, stellte der Soldat das Feuer wieder ein.
    »Hatten sie Panzerfäuste oder Raketen?«, rief er Patrik zu.
    Dieser schüttelte den Kopf. »Ich habe jedenfalls keine gesehen.«
    Der Geruch von Metall und Schwarzpulver lag in derLuft. Der Sanitätsleutnant sah auf die Anzeige des Blutdruckmessers, den er Sandrine angelegt hatte, nahm einen Filzstift und schrieb Sandrine den Wert auf die Stirn.
    »Sie wird jeden Moment zusammenbrechen«, rief der Sanitätsleutnant dem Piloten zu, der mit seiner schwarzen Sonnenbrille nach hinten blickte und ausdruckslos nickte.
    Patrik sah, wie sich der Sanitätsleutnant über Sandrine beugte und anfing, sie künstlich zu beatmen. Nachdem er einige Male kräftig gepustet hatte, richtete er sich auf, streckte die Arme und drückte rhythmisch Sandrines Brustkorb.
    »Wir müssen ihr Blut geben, kennen Sie ihre Blutgruppe?«, wollte der Mann von Patrik wissen.
    Patrik antwortete, aber seine Stimme ging im Lärm des Helikopters unter. Er versuchte, die Hand zu heben, und musste alle Kraft zusammennehmen, um sie wenigstens etwas bewegen zu können. Der zweite Soldat, der Sandrine versorgte, beugte sich näher an ihn heran.
    »A positiv«, brachte Patrik über die Lippen.
    Der Sanitätsleutnant öffnete einen weißen Kasten mit rotem Kreuz und entnahm ihm einen Blutbeutel.
    »Mach du weiter«, rief er dem Soldaten zu, der die Hände ineinanderschob und dann rhythmisch Sandrines Brustkorb drückte.
    »Wird sie es bis Camp Bastion schaffen?«, fragte einer der Soldaten.
    »Sie muss. Das ist ihre einzige Chance«, antwortete der Sanitätsleutnant.
    »Im Tal von Pakhawari sind Kämpfe ausgebrochen«, rief der Pilot. »Es wird heute Gedränge im Camp geben.«
    Patrik fiel es schwer zu verstehen, was um ihn herum geredet wurde, seine Wahrnehmung war verlangsamt und getrübt. Der rote Blutbeutel schaukelte hypnotisierend an einem Haken. Einer der Soldaten setzte die Wiederbelebungfort, und der Sanitätsleutnant legte Sandrine einen Finger an den Hals.
    »Der Puls ist da«, rief er.
    »Nimm einen Schluck Wasser«, sagte ein Soldat, der sich neben Patrik kniete, und hielt ihm eine Feldflasche hin.
    Patrik griff mit zitternder Hand danach. Nachdem er getrunken hatte, fiel er in Halbschlaf. Der gewaltige Stress forderte jetzt seinen Tribut, und enorme Müdigkeit lähmte Patrik.

72
    Das helle Akkulicht der Videokamera blendete David Pearson. Er atmete tief durch und versuchte, seine Angst zu beherrschen. Auch die anderen Geiseln blinzelten in der zum Bunker ausgebauten Höhle. Ein afghanischer Kämpfer, der nahezu perfektes Englisch sprach, filmte die Gruppe, was ein schlechtes Zeichen war. Viele westliche gefangene Soldaten oder Zivilisten waren gefilmt worden, bevor man sie hingerichtet hatte.
    Pearson wurde allmählich immer klarer, womit all das zusammenhing, aber er konnte den anderen Geiseln gegenüber nichts darüber verlauten lassen, nicht einmal in dieser Situation.
    Verblüfft blickte er auf die hochwertigen Waffen, die in der Höhle gelagert wurden: Raketen, Panzerfäuste, Granatwerfer, Geschosse.
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