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Ein Ring aus Asche

Ein Ring aus Asche

Titel: Ein Ring aus Asche
Autoren: Cate Tiernan
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Auf den alten Steinfliesen, die sich über die Jahrhunderte abgetreten hatten, konnte ich meine Schritte kaum hören. Der kleine Innenhof war eine Art Mini-Eden, in dem Vögel um subtropische Pflanzen herumflatterten, die das kleine Schwimmbecken einrahmten.
    Und dort war auch schon der Eingang zu Axelles Wohnung. Obwohl ich mich von dem Zauber letzte Nacht immer noch etwas zittrig fühlte, hatte eine neue Kraft in mir Gestalt angenommen. Ich fühlte mich eins mit mir, selbstbewusst. Ich öffnete die Tür und ging hindurch. Wie üblich zog sich mir bei dem durchdringenden Zigarettengeruch die Nase zusammen. Innen war es kühl und dunkel. Als ich die Tür hinter mir schloss, flitzte Minou, Axelles Kater, an meinen Beinen vorbei in die Wohnung.
    »T hais.«
    Als sich meine Augen an das schummerige Licht gewöhnt hatten, erblickte ich Axelle ausgestreckt auf ihrer schwarzen Ledercouch. Sie legte die Zeitung, die sie bis eben noch gelesen hatte, zur Seite, erhob sich und kam zu mir herüber.
    »D u bist früh auf. Brauchst du ein Backup in Sachen Zeitgeschehen?«, fragte ich gelassen, während ich in die Küche ging.
    »I ch war die ganze Nacht wach und hab die Comic-Beilagen gelesen.« Ihre dunkle, glänzende Pagenfrisur endete neben ihrem Kinn in einem kühnen, sichelförmigen Schwung, jedes Haar ordentlich an seinem Platz. Auch wenn sie die letzten vierundzwanzig Stunden auf gewesen war, sah man ihr das in keiner Weise an. »D u warst also die ganze Nacht weg. Wieder eine Wespen-Attacke?«
    »N ein, eher der Schock wegen meiner Familiengeschichte.« Ich schenkte mir ein Glas Orangensaft ein, steckte zwei Scheiben Brot in einen Toaster und mied sorgsam ihren Blick.
    »S chock? Okay, ich gebe zu, du hast gestern so einiges zu hören bekommen. Aber von einem Schock zu sprechen?« Ihre roten Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. Sie schenkte sich ebenfalls ein Glas Orangensaft ein und holte eine Flasche Wodka vom Kühlschrank herunter. Sie goss ein wenig davon in ihren Saft und nahm einen genüsslichen Schluck. Es war gerade mal sieben Uhr morgens.
    »T hais«, sagte sie mit einer warmen, beinahe verführerisch klingenden Stimme. »D as ist die Chance deines Lebens. Die Aussicht, unsterblich zu werden… das ist der Stoff, aus dem Träume sind.«
    »O der Albträume«, sagte ich. »T ypen wie ihr, zumindest die, die ich bislang getroffen habe– die Mitglieder der Treize–, ihr wirkt nicht gerade wie Vorzeigekinder für Gesundheit und Glück.«
    Axelle streckte sich und bog ihren geschmeidigen, katzenhaften Körper. »D u wärst überrascht, wie viel Vergnügen man haben kann, wenn man sein ganzes Leben dafür Zeit hat.«
    »E ilmeldung«, unterbrach ich sie. »V ergnügen ist nicht dasselbe wie Glück.« Ich fühlte Bitterkeit in mir aufsteigen, dass mein Leben mit dem der Treize überhaupt verbunden war. Es war nicht so, als würde ich Axelle hassen, nein. Aber ich traute ihr nicht über den Weg und wir hatten keinerlei Gemeinsamkeiten.
    »O oooh«, sagte Axelle und trank ihren Wodka-Orangensaft aus. »S o jung und schon so weise. Aber Thais, sag bloß, du bist nicht froh, zu wissen, dass du eine Familie hast, einen Hintergrund, eine Geschichte. Du weißt, wer du bist und wo du herkommst. Ist das nicht besser, als wie ein kleines Boot auf hoher See zu treiben?«
    Ich antwortete nicht, sondern aß einfach nur meinen Toast. Sie hatte meinen wunden Punkt getroffen. Mein ganzes Leben lang hatte es nur mich und meinen Dad gegeben. Als er gestorben war, hatte ich niemanden mehr gehabt, bis auf eine Freundin der Familie, eine Nachbarin, die sich um mich gekümmert hatte. Aber keine Familie. Es stimmte– ich hatte mich verloren gefühlt. Dann hatte mich Axelle nach New Orleans gebracht und Clio und ich hatten zueinandergefunden. Herauszufinden, dass ich eine Schwester und eine Großmutter hatte, war wie ein Lotteriegewinn gewesen. Ich gehörte zu jemandem. Ich war nicht allein.
    Schließlich hatte ich herausgefunden, dass die beiden Hexen waren. Ich hatte Zauberkraft, Wicca und dieses ganze Zeug nie ernst genommen– ich hatte gedacht, es sei ein Scherz. Die Enttäuschung, dass die beiden in so etwas verwickelt waren, hatte sich unmittelbar und mit voller Wucht eingestellt. Doch mittlerweile hatte ich mich ein wenig mehr an den Gedanken gewöhnt. Ich hatte akzeptiert, dass auch ich die Hexerei im Blut hatte. Aber es war nicht das gewesen, was ich gewollt hatte. Und nach dem explosiven Zauber letzte Nacht schienen meine
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