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Ein Ring aus Asche

Ein Ring aus Asche

Titel: Ein Ring aus Asche
Autoren: Cate Tiernan
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habe dich genau in dem Moment getroffen, als ich eigentlich hätte sterben wollen. Und ich glaube, ich habe jemanden gefunden, für den es sich zu leben lohnt. Endlich.«
    Ich war in der Hölle. Genau so musste es dort sein.
    »A ber ich hab’s vermasselt«, sagte er. »I ch habe einen riesigen Fehler gemacht, weil ich dumm war und Angst hatte …« Er hielt inne, als sei er überrascht, dass ihm diese Worte über die Lippen gekommen waren. »I ch hab’s vermasselt«, sagte er etwas ruhiger. »U nd das bedaure ich mehr, als ich es je in Worte fassen könnte.« Er sah mir in die Augen und schien mir so vertraut, so sehr der Mensch, den ich liebte, dass ich schreien wollte. »I n den ganzen zweihundertfünfzig Jahren war dies mein größter Anlass zur Reue.«
    Ich konnte nicht atmen. Mein Herz schlug so heftig, dass es mir in der Brust wehtat. Und hier der wirklich erniedrigende Teil: Ich wollte ihm glauben, wollte sagen: Ich vergebe dir. Ich wollte die Arme ausstrecken, nach ihm greifen und seinen Kopf zwischen meine Hände nehmen, um ihn küssen zu können. Und zwar heftig, richtig heftig. Ich wollte ihn mit hinunter auf mein Bett ziehen und spüren, wie er sich gegen mich drückte, so wie ich mich damals gegen ihn, am Fluss in der Nähe des Damms. Ich wollte es so sehr, dass ich es geradezu schmecken, fühlen konnte.
    »T hais«, sagte er mit sehr viel weicherer Stimme, während er näher kam. »S chlag mich, wenn du willst. Wirf Gegenstände nach mir. Brüll und schrei und verfluch meinen Namen, bis du keine Stimme mehr hast. Aber komm zu mir zurück. Ich werde den Rest meines Lebens damit verbringen, zu versuchen, die Sache mit dir wiedergutzumachen.« Er hielt inne. »U nd das heißt schon etwas.« Der Rest seines Lebens war in der Tat eine ziemlich lange Zeit. Es sei denn, er würde den Zauber der Treize nutzen, um zu sterben.
    Noch immer brachte ich kein Wort heraus. Meine Augen waren weit aufgerissen und starrten ihn mit einer so tiefen Sehnsucht an, es fühlte sich an wie Durst.
    Er streckte eine Hand aus und streichelte mir langsam, ganz langsam über den Arm. Seine Hände, seine erfahrenen Hände waren überall auf meinem Körper gewesen. Die Erinnerung erstickte mich fast.
    Mein Verstand setzte aus. Meine ganze Welt richtete sich nach innen, bis sie nur noch Luc und mich enthielt. Ich schluckte schwer.
    »N ein«, flüsterte ich kaum hörbar. Ich entzog meinen Arm seiner Berührung und sog zitternd die Luft ein. »N ein.«
    Er trat einen Schritt zurück und blickte mir forschend ins Gesicht. In seinen Augen erkannte ich neuen Schmerz, als könnte ich seine Hoffnung sterben sehen. Ich wandte den Blick ab.
    »I ch könnte dafür sorgen, dass du mich liebst.« Wieder war seine Stimme leise und angespannt.
    Kalte Vernunft bahnte sich einen Weg zu meinem Gehirn. Ich sah ihm erneut in die Augen.
    »A ch ja? Mit einem Zauber, oder was?«
    Sein Kiefer spannte sich an. Er senkte den Blick und auf seinem Gesicht zeichneten sich Scham und Verzweiflung ab. »T hais, ich…« Er wollte eine Hand heben, ließ sie jedoch gleich wieder fallen. Er betrachtete mich eine lange Zeit, bis er sich endlich umdrehte und den Raum verließ. Sobald er durch die Tür war, machte ich sie hinter ihm zu und schloss sie ab.
    Dann setzte ich mich zitternd aufs Bett und wartete auf die Tränen.

Kapitel 3
    St. Louis-Friedhof No. 1
    Die Grabsteine waren mit Flechten und Moos überzogen, das Ergebnis jahrhundertelanger Hitze und Feuchtigkeit. Ouida fand, dass sie wunderschön aussahen, und richtete ihre Kamera auf eine kaum lesbare Inschrift. Mit dem grobkörnigen Schwarz-Weiß-Film, den sie benutzte, würde das Bild genauso eindringlich und melancholisch werden wie der Friedhof selbst. Sie kontrollierte den Belichtungsmesser und entschied, den Film unterzubelichten, damit die Inschrift dunkler hervortrat. Sie richtete die Kamera auf ihrem Stativ aus, drückte vorsichtig auf den Auslöser und trat erfreut einen Schritt zurück. Das würde gut werden.
    Friedhöfe faszinierten sie. In gewissem Sinne war es, wie durch das Fenster eines exklusiven Klubs zu spähen, zu dem sie nie gehören würde. Ein leises Lachen entrang sich ihrer Kehle und sie hielt sich die Hände vor den Mund. Sie wollte nicht, dass jemand sie hörte.
    Als ihr Stativ verstaut war, sah Ouida sich um. Sie fühlte einen leichten grauen Anflug von… nicht Bedrohung, so schlimm war es nicht… aber vielleicht einfach Traurigkeit? Abgesehen von ihrem Fototermin gab es noch
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