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Ein Ring aus Asche

Ein Ring aus Asche

Titel: Ein Ring aus Asche
Autoren: Cate Tiernan
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Licht war Melitas Dunkelheit definitiv vorzuziehen gewesen.
    Jahrelang hatte Marcel sich Cerise und ihrer Familie gewidmet und immer gehofft, sie würde nachgeben, würde ihn zum Mann nehmen und die Seine werden. Nach allem, was er getan hatte, wie hätte sie anders entscheiden können? Doch sie hatte ihm keine Versprechungen gemacht und immer nur leichtfertig gelacht, wenn er das Thema angeschnitten hatte.
    Sie war nicht unfreundlich oder grausam gewesen. Eher wie eine Fee aus Licht und Luft– es war unmöglich, sie auf etwas festzulegen. Und natürlich war er das Ganze völlig falsch angegangen. Irgendwann hatte er das begriffen.
    Jetzt, während er auf dem eisigen irischen Boden kniete, schluckte Marcel schwer und schloss die Augen vor den unnachgiebigen Erinnerungen. Einmal losgetreten, waren sie nicht mehr aufzuhalten. Er war durch die Wälder gelaufen, um seine Fallen zu überprüfen, als er Cerises Lachen gehört hatte. Aus der Entfernung hatte er sie heimlich dabei beobachtet, wie sie zwischen den Bäumen umhergelaufen war und vereinzelte Sonnenstrahlen ihr Haar zum Glänzen gebracht hatten. Marcel hatte darüber gelächelt, Cerise, ein Mädchen von siebzehn Jahren, immer noch Fangen spielen zu sehen.
    Auch als er bemerkte, wer hinter ihr herjagte, hatte er noch immer gedacht, das Ganze sei ein Spiel. Richard Landry war gerade mal fünfzehn und im vergangenen Jahr ziemlich in die Höhe geschossen. Im Vergleich zum zwanzigjährigen Marcel ein Junge. Marcel hatte sich angeschickt, zu ihnen zu gehen, und schon im Sinn gehabt, was er sagen wollte, wie er sie aufziehen würde, weil sie noch immer wie die Kinder spielten.
    Doch dann hatte er gesehen, wie Richard Cerise fing, hatte ihr überrascht keuchendes Lachen gehört. Er hatte gesehen, wie Richard Cerises Handgelenk über ihrem Kopf festhielt und sie gegen den breiten Stamm einer Platane drückte. Wann war der Junge größer geworden als sie? Marcel hielt still wie ein Reh und beobachtete die beiden durch die dichten Bäume. Er wartete darauf, dass Cerise Richard wegstoßen würde, vielleicht sogar ärgerlich, um ihn für das, was er sich herausnahm, zu schelten. Nicht mal Marcel hatte sie so eng an sich gedrückt im Arm gehalten!
    Doch Richard traute sich noch mehr. Er lehnte sich gegen sie und senkte den Kopf, um sie zu küssen. Für einen kurzen Moment wich ihm Cerise, immer noch atemlos lachend, aus, doch dann hielt sie still, und Richards Mund nahm den ihren in Besitz. Er ließ ihre Hände los, sie umfasste seine Schultern. Zuerst weiteten sich ihre Augen vor Erstaunen, doch dann schlossen sie sich langsam in seligem Vergnügen.
    Sprachlos hatte Marcel die beiden angestarrt. Er selbst hatte Cerise nie geküsst! Er hatte es mehrere Male versucht, aber sie war ihm ausgewichen, und er hatte sie nicht gedrängt. Jetzt begriff er, dass seine Annäherungsversuche zu brav gewesen waren.
    Ganz anders die von Richard. Er hatte sein Knie zwischen ihre Beine gezwängt, zwischen ihre langen baumwollenen Röcke. Sie hatten einander von Kopf bis Fuß berührt, während Richard seine Hände auf dem Baum hinter ihr abstützte.
    Marcel wusste nicht, wie lange er so, wie vom Blitz getroffen, dagestanden hatte. Nach einer Weile, die ihm wie eine Ewigkeit vorkam, lösten sich Richard und Cerise voneinander und starrten sich an. Richards Atem war schwer, sein Blick bedeutungsschwanger. Wieder trat er auf sie zu, doch diesmal schubste Cerise ihn weg. Sie schürzte ihre Röcke und rannte durch die Wälder zurück ins Dorf.
    Von da an hatte Marcel begonnen, Cerise entschlossener und ungeduldiger nachzustellen. Wieder und wieder hatte sie ihn zurückgewiesen und ihn mit einer Entschuldigung nach der anderen abgespeist. Sie hatte ihn weiter ausgelacht und war ihm ausgewichen. Bis zu diesem einen Moment am Fluss.
    Noch immer hatte er den Geruch des Wassers in der Nase, noch immer fühlte er die schwere Luft. Die Hitze hatte sie beide benommen gemacht. Cerises Augen hatten in die seinen geblickt. Und er hatte den Himmel geschmeckt.
    Dann fand sich Marcel in einer anderen Erinnerung wieder. Er rannte durch dunkle Wälder, Wälder, die er wie seine eigene Westentasche kannte. Spanisches Moos strich über seine Wange, während er Melita aufspürte. In jener Nacht hatte er gesehen, wie sie schwarze Magie praktizierte, wie sie die riesige Eiche gespalten und dabei die Quelle zerstört hatte, die aus den Wurzeln herausgesprudelt war. Der Baum war umgestürzt und verbrannt.
    Marcel war
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