Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Pony mit Herz

Ein Pony mit Herz

Titel: Ein Pony mit Herz
Autoren: Tina Caspari
Vom Netzwerk:
gelassen und beschlossen, daß sie nun nichts mehr zu fürchten habe. Bille stellte überglücklich fest, daß die Stute sich sehr gut an ihre alten Lektionen erinnerte und auf kleinste Hilfen reagierte.
    Mit dem nächsten Schritt kam die letzte große Herausforderung auf Raissa zu: Sie mußte Vertrauen zu anderen Reitern gewinnen. Genauer gesagt: zu Männern. Und da Bille vor Simon und Hans Tiedjen ihren Erfolg geheimgehalten hatte, um die beiden zu überraschen, wandte sie sich an Johnny den Indianer. Er, der so wunderbar mit Pferden umgehen und ihre geheime Sprache verstehen konnte, sollte der erste sein, der sich in Raissas Sattel setzen durfte.
    Billes Rechnung ging auf. Johnny sprach zunächst auf seine sensible indianische Art lange mit der Stute. Als nächstes ging er mit ihr spazieren, indem er ihr voraus den Feldweg entlangging und sie aufforderte, ihm zu folgen. Bille wurde fast eifersüchtig, als sie sah, wie selbstverständlich Raissa hinter Johnny herging. Als sie nach einer Weile zurückkehrten, saß Johnny auf dem Rücken der Stute. Ohne Sattel, ohne Trense, den Führstrick lose in der Hand.
    „Johnny, du bist eben doch der Größte“, gestand Bille ein. „Der eine lernt es mühsam, der andere hat es ganz einfach. Da kann man nichts machen.“
    „Irrtum, Mädchen“, widersprach Johnny der Indianer lächelnd. „Du hast es auch. Du weißt es nur noch nicht.“ Von jetzt an ritt Johnny Raissa jeden Abend für eine halbe Stunde, nachdem Bille das Training nach der Tellington -Jones-Methode mit ihr beendet hatte. Es gab keine Probleme mehr mit der noch vor kurzem verstörten, unreitbaren Stute.
    „Mein nächster Schüler wird Hannes sein“, kündigte Bille heute an. „Wenn das auch klappt, werde ich Raissa Daddy und Simon vorstellen. Und ich habe auch schon eine gute Idee, wie ich es mache. Ihr müßt mir dabei helfen!“
    „Wird gemacht!“ versprach Johnny. „Kann mir schon denken, was du vorhast.“
    Bester Laune kam Bille spät am Abend nach Hause, nicht ahnend, daß sich hier inzwischen ein gewaltiges Gewitter aufgestaut hatte. Mutsch, Onkel Paul, Billes Schwester Inge und ihr Schwager Thorsten saßen mit eisigen Gesichtern im Wohnzimmer und blickten sie schweigend an.
    „Hallo! Die ganze Familie versammelt, ist ja toll!“ Noch ahnte Bille nichts Böses.
    „Nett, daß du auch mal kommst!“ sagte Inge schnippisch. „Wir warten ja auch erst eine geschlagene Stunde!“
    „Wieso, was ist denn los? Warum seid ihr alle so feingemacht?“
    „Wir hatten die Absicht, in Kiel ins Theater zu gehen. Ein einmaliges Gastspiel von Tänzern des Bolschoi-Balletts, falls du dich erinnerst“, sagte Billes Mutter hörbar eingeschnappt. „Du wolltest babysitten.“
    Bille erschrak. „Verdammte Scheiße“, rutschte es ihr heraus. „Das habe ich total vergessen! Und jetzt?“
    „Jetzt ist es zu spät!“ Inge stand auf. „Entschuldige, Mutsch. Wir gehen besser. Krischan lasse ich oben bei dir im Bett, ich will den Kleinen nicht aus dem Schlaf reißen.“
    „O Mann! Inge, das tut mir echt wahnsinnig leid!“ sagte Bille. „Warum habt ihr nicht drüben angerufen?“
    „Das haben wir immer wieder versucht, du warst nicht aufzufinden. Na dann, gute Nacht allerseits.“ Inge verließ das Zimmer. Thorsten folgte ihr stumm.
    Gleich darauf erhob sich auch Onkel Paul. Auseinandersetzungen waren nicht seine Stärke. „Ich gehe noch auf einen Sprung in den Krug rüber“, murmelte er und verdrückte sich.
    Bille sah ihm voller Unbehagen nach. Sie wußte einfach nicht, was sie sagen oder tun sollte. Wie sehr hatte sich ihre Mutter auf diesen Abend gefreut! So ein Pech, daß sie sie nicht wenigstens telefonisch erreicht hatten! „Mutsch! Ich kann dir überhaupt nicht sagen, wie leid mir das tut! Wenn ich bloß wüßte, wie ich ...“
    „Daran ist nun nichts mehr zu ändern“, sagte die Mutter kühl. „Es ist im Grunde ja nur die logische Folge von etwas, das sich schon seit langem anbahnt.“
    „Logische Folge, was meinst du damit?“ fragte Bille verwirrt.
    „Ich fürchte, es ist an der Zeit, daß du dir eine eigene Wohnung suchst. Da kannst du dann tun und lassen, was du willst.“
    „Was denn, ich soll ausziehen?“ fragte Bille entsetzt.
    „Das wundert dich? Du wohnst doch eigentlich schon gar nicht mehr hier! Dein Zuhause sind der Pferdestall, die Reithallen, die Schule in Groß-Willmsdorf - und vielleicht noch der Reitstall Wedenbruck. Deine Familie kümmert dich schon lange nicht mehr.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher