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Ein Pirat zum Verlieben

Ein Pirat zum Verlieben

Titel: Ein Pirat zum Verlieben
Autoren: Amy J. Fetzer
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Schublade auf der rechten Seite aufzog. Da war es. Ein großer, prall gefüllter Umschlag. Sie wollte das Päckchen gerade unter das Rückenteil ihres Trikots stopfen, als ihr Gewissen sie dazu drängte, sich davon zu überzeugen, ob das, was Sloane behauptet hatte, der Wahrheit entsprach. Ich riskiere Kopf und Kragen dafür, dachte sie sich, während sie den Umschlag in den Händen wog. Plötzlich sträubten sich ihre Nackenhaare, als ihr Blick auf ein Porträt fiel, das hinter dem Schreibtisch unter einer Bilderleuchte an der Wand hing. Die vergeudeten Sekunden waren ihr größter Fehler. Das Geräusch von schweren Schritten brachte sie schlagartig wieder zu sich. Sie schob das Päckchen unter den Stoff ihres Oberteils, zog den Ärmel über ihre Hand, um ihre Fingerabdrücke abzuwischen, rannte dann zum Fenster und kletterte hinaus. Sie versiegelte gerade das Fenster, als die Tür aufgestoßen wurde. Licht überflutete den Raum und zweifellos auch ihr entgeistertes Gesicht. Jemand zeigte auf sie.
    »Da ist sie!«, hörte sie. Zwei kräftige Gestalten liefen auf sie zu.
    »Oh, Scheiße!« Sie richtete sich auf, machte ohne zu überlegen eine Kehrtwendung und sprang die drei Meter zum Fahnenmast hinunter. Zum Glück erwischte sie ihn, mit so viel Schwung, dass sie zweimal um die Stange herumwirbelte.
    »He! Sie da! Halt oder ich schieße!«
    Schießen? Heiliger Himmel! So etwas passiert doch nur im Film! Ian Fleming, schreib mein Drehbuch um, dachte sie, als sie sich geschmeidig um den Mast schwang. Sie ließ los. Ihr Körper glich einem schlanken schwarzen Pfeil, als sie durch die Luft schoss und nach dem Dach der Veranda langte. Ihr überhöhtes Tempo gab ihr zu viel Wucht, und sie verlor den Halt, krachte in Keramiktöpfe mit künstlichem Rhododendron und Farn und landete mit gespreizten Gliedern wie eine Stoffpuppe am hinteren Ende des Raums. Anscheinend ist an den Rothmeres alles unecht, fand sie, als sie sich mühsam auf die Beine rappelte und künstliches Moos ausspuckte. Als sie zum Zaun jagte, drangen seltsame Geräusche durch ihre Panik. Es klang wie ein leises Ploppen, leicht und luftig, begleitet von einem schwachen Zischen. Ihre Augen weiteten sich, und ihre nackten Füße bohrten sich in den englischen Rasen. Ein Schalldämpfer, verdammt! Ihr Körper prallte gegen die scharfen Eisenstäbe des Zauns, aber sie hatte keine Zeit abzuwarten, bis der Schmerz nachließ. Sie zog sich mit einem Klimmzug hoch und hievte unbeholfen beide Beine über den Zaun, im selben Moment, als eine Meute Dobermänner losgelassen wurde. Ausführung zweieinhalb Punkte, zehn Punkte für Schwierigkeit.
    Sie rannte. Ihre Lungen brannten. Ihre Knie bluteten. Ihre Mütze fiel ihr vom Kopf und schimmerndes schwarzes Haar wallte über ihren Rücken. Bloße Füße klatschten auf Beton. Oh; Tess! Große Kanonen. Großer Ärger! Mit zitternden Händen riss sie den Autoschlüssel von ihrem Bein und stieß ihn ins Schloss. Hunde bellten, Metall klirrte, Motoren heulten.
    Nicht hinschauen. Nicht hinschauen!
    Sie riss die Tür auf und wurde buchstäblich eins mit dem Fahrersitz. Sie atmete tief durch, um keinen blöden Fehler zu machen, wie zum Beispiel, den Motor absaufen zu lassen. Der vierundzwanzig Jahre alte kirschrote Klassiker startete beim ersten Versuch. Einen Block weit fuhr Tess mit quietschenden Reifen. Scheinwerfer tauchten in ihrem Rückspiegel auf, kamen langsam näher, fielen zurück und wurden dann größer und heller, kamen so nah, dass sie die Chromrahmen um die Lichter sehen konnte. Sie rammten ihren alten Mustang, und Tess wäre beinahe mit dem Gesicht ins Lenkrad gekracht, bevor sie zur Seite ausbrach. Der dunkle Wagen schob sich neben sie. Sie trat das Gaspedal durch, aber vorher hörte sie noch ein scharfes Plopp. Tess duckte sich instinktiv, und im selben Moment schleuderte es den Beifahrersitz nach vorn, gefolgt von einem Geräusch, als würde dünnes Eis auf einem Teich brechen. In ihrem Rückfenster war ein glattes Loch, und das Glas wurde zu einem verzerrten Spinnwebmuster, das jeden Moment bersten würde.
    Jesus! Wem bin ich da bloß auf die Zehen getreten?, dachte sie entsetzt.
    Sie riskierte keinen Blick auf den Sitz. Sie wusste, dass eine Kugel in dem alten Leder steckte. Ihr Fuß trat das Gaspedal bis zum Anschlag durch, als sich ein weiteres lautloses Geschoss in den Metallrahmen ihres Wagens bohrte. Reifen quietschten.
    Tess jagte ohne Rücksicht auf Verluste durch jede Nebenstraße, an die sie sich aus
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