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Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot

Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot

Titel: Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot
Autoren: Sibylle Berg
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ein Hund. Er saß in einem Käfig. Er war ganz dünn. Wir haben uns in die Augen gesehen. Das war mein Hund.
    Aber sie haben ihn mir nicht gegeben. Als ich weggegangen bin, hat der Hund gejault. Ich wollte so gerne weinen, wegen dem Hund. Das ging aber nicht.
    Ich sitze am Meer. Es ist schon dunkel. Wenn ich viel laufe, werde ich noch dünner. Ich trinke abends immer Rotwein.
    Manchmal auch schon morgens. Dann ist mir nicht so kalt.
    Ich friere auch, wenn die Sonne scheint. Die scheint kaum.
    Es ist ja schon Herbst. Wenn ich Rotwein trinke, dann ist auch alles schön weich, und es macht total Sinn, daß ich weggefahren bin. Ich sehe mir die Wellen an, die in der Dunkelheit kommen. Sie kommen ganz klein und leise und dann werden sie groß und brüllen.
    Möcht ich irgendwie auch. Aber ich trau mich das nicht.
    HELGE geht ins Hotel
    Ich gehe ins Hotel. Wie jeden Abend. Wie jeden Abend, außer Dienstag und Mittwoch. Ich werde da, wie jeden Abend, Klavier spielen. Was sind Sie von Beruf? Pianist.
    Ah, interessant, in welchem Orchester, wenn man fragen darf? Oh, Sie dürfen. Im Marriott. Äh, was ist das? Das ist ein Hotel. Mit einer Bar und ich bin der Gottverdammte Barpianist. Äh, oh. Interessant. Nein, Sie Arschgesicht, das ist nicht interessant. Das ist einfach nur Scheiße.
    Jeden Abend das Lied des eigenen Versagens spielen zu müssen kann ja nun wirklich nicht spannend sein.
    Ich werde erst all die Lieder spielen, die sie hören wollen.
    Und wenn sie betrunken sind, werde ich meine Lieder spielen. Spiel ich meine Lieder, wenn sie noch nüchtern sind, dann kann es sein, daß sie anfangen, ganz laut zu reden. Oder ein Mann mit rotem Gesicht »aufhören« brüllt.
    Und dann hör ich auf und spiele Karel Gott und so. Wenn sie dann betrunken sind, wird eine Frau an mein Klavier kommen. Vorher wird sie mir ein paar Getränke ans Klavier bringen lassen. Süße Cocktails. Die ich nicht mag. Ums Verrecken nicht. Aber ich werd die trinken, ich hab es mal nüchtern machen wollen. Da ging es nicht, und danach mußte ich mich erst recht betrinken. Also, trink ich diesen süßen Scheiß. Eine kommt immer. Sie sehen meistens aus, wie das Zeug, das sie mir ans Klavier bringen lassen. Ohne Kontur. Die Frau ist also angetrunken. Sie war auf einer Messe oder etwas ähnlich Nutzloses und sie ist alt. Sie ist alt für eine Frau, die sich mit ein paar Gläsern Alkohol nicht unter Kontrolle hat. Und sie hat mich die ganze Zeit angesehen. Sie hat meine wundervollen Hände angeguckt und sich vorgestellt, wie die über ihren blöden Körper wan-dern. Und dann steht sie am Klavier und ist nervös. Wir dann später an die Bar und erst mal ordentlich was getrunken. Dann sagt sie irgendwann, daß sie müde ist, auf ihr Zimmer will. 65 sagt sie. Und ich lächle sie an. Später, nicht zu spät, weil sonst ist sie eingeschlafen, so betrunken, wie sie ist, gehe ich auf Zimmer 65. Ich klopfe und sie macht auf. Ganz rot im Gesicht. Und dann sitzen wir auf dem Bett, und sie ist ganz heiß. Ich bring sie dann dazu, daß sie mir Geld anbieten. Oh, gnädige Frau, ich würde gerne bei Ihnen bleiben, aber der Verdienstausfall, Sie verstehen schon, ich werd ja fürs Spielen bezahlt. Fürs Kla-vierspielen. Und so laber ich, und die Damen sind schon so weit gegangen, daß sie nicht mehr zurückkönnen. Alle haben mir bis jetzt Geld gegeben. Und ich habe es genommen. Nicht weil ich es brauche. Ich weiß nicht, was ich mit Geld soll, außer es zu vertrinken. Nein, ich nehm das Geld, weil es konsequent ist. Wenn ich schon nichts anderes hinkriege, dann will ich wenigstens konsequent Scheiße bauen.
    VERA geht ins Büro
    Ich gehe ins Büro. Wie jeden Morgen. Ein kurzer Weg. Ein kleines Stück durch so eine städtische Grünanlage. Wo ich mir denke, jeden Morgen, es müßte richtig lässig sein, nicht ins Büro gehen zu müssen. Mich hinzusetzen. Unter einen Baum und ein Buch auspacken. Lesen, aber eher gucken, wie die anderen ins Büro gehen. Dann, wenn alle gegangen sind, aufstehen und irgendwo ganz anderes hinlaufen. Kaffee trinken und rauchen und vielleicht einfach nur warten, bis die anderen aus dem Büro kommen, in Richtung Abend. Dann denen die Kippe vor die Füße werfen. Ich weiß nicht, wer mein Leben eingerichtet hat.
    Vielleicht ist es beschissen, weil ich so früh ein Kind gekriegt habe. Vielleicht ist es aber auch nur beschissen, weil Leben beschissen ist. Und jetzt muß ich ins Büro. Mir ist nicht klar, wozu das gut ist. Das einzige, worauf ich
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