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Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot

Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot

Titel: Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot
Autoren: Sibylle Berg
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Ihre Tochter ist weg. Eine weite Reise. Ich denke, sie wird nicht zurückkehren. Ja, ist recht, denkt Vera, ohne sich zu wundern, daß die Frau von ihrer Tochter weiß. Die Hexe empfängt die Zweifelsschwingun-gen gar nicht, sondern redet weiter: Ihr Mann fühlt sich eher zum eigenen Geschlecht hingezogen. Ja, denkt Vera, er schläft zwar jede Nacht mit einer anderen Frau, aber wahrscheinlich irrt er sich da nur und denkt, das sind ver-kleidete Männer. Und die Hexe sagt; Sie werden auch bald weggehen. Mit dem falschen Mann. Dann sieht die Wahrsagerin irgendwas in den Karten und reißt den Mund auf. Die Kippe fällt nun doch auf den Tisch, und Vera muß lachen. Die Wahrsagerin lacht nicht, sondern verabschiedet sich zügig. Draußen denkt sich Vera, warum soll ich eigentlich nicht weggehen. Vera setzt sich in ein Cafe und sieht sich beim Kofferpacken zu. Und dann klingelt es unten an der Tür, und Rutger Hauer steht da. Er sagt, so, mal los, und dann steigen sie in ein Taxi.
    HELGE ist allein
    Alle weg. Nora tobt irgendwo am Meer rum und wird wahrscheinlich Hasch rauchen und Lieder zur Gitarre singen. Ich weiß gar nicht, was so Leute wie sie heute singen.
    Talking Heads und Kate Bush wohl nicht. Ich weiß nicht, wie die Leute heute auf der Gitarre Techno-Stücke spielen und dazu singen. Aber wirklich nicht.
    Vera ist irgendwo. Und ich habe meinen freien Tag und bin alleine. Ich hab erst mal geschlafen, bis abends, versteht sich. Bis dahin alles gut. Ich dann so in der leeren Wohnung rumgetigert und mir gedacht, so, jetzt machen wir's uns mal nett. Und dann fiel mir nix mehr ein. Und gleich kommt die Nacht. Nur noch ein bißchen Licht ist da. Ganz blau, und wenn ich mich noch ein Stück weiter aus dem Fenster beuge, fall ich raus. Das würde nicht groß was machen, weil die Luft so dick ist, wie etwas, das lebt und gar nicht wehtun kann. Die Vögel sind am Wahnsinn.
    Ganz schnell singen sie, damit sie zu Ende kommen, ehe es dunkel wird. Dann müssen sie ruhig sein, dann ist es dunkel, und die Luft ist so Fleisch, daß die Vögel sich ganz schön anstrengen müssen da durch. Da ist etwas, was sie verrückt macht, mich verrückt macht, und keines weiß, worum es geht. Vielleicht ist es die Nacht. Da draußen, vor meinem Fenster. Die atmet aus, die Nacht. Haucht mich an. Ganz warm. Ich bin allein, an meinem Fenster, am Rande der Nacht und hätte so gern wen, dem ich was sagen kann. Und keiner da, nur ich laufe rum, in meinem Zimmer. Und kann nicht sitzen. Schlafen auch nicht, oder denken. Zu sehr warm, zu laut die Vögel, und draußen in der Stadt wartet irgend etwas auf mich. Wenn ich rausgehe, werde ich es suchen. Nichts finden. Also gehe ich raus. Die Vögel ganz schrill. Aus ihren Zungen sollte man Pasteten kochen. Die kleinen Leiber rupfen und grillen.
    Ich komme an einer Bar vorbei, ganz gelb ist die. Wie ein Bild von diesem traurigen Mann, der immer leere Bars malt, mit leeren Menschen drin. In der Bar sind so Menschen. Eine Versammlung anonymer Autisten. Die stehen am Tresen und sind schön. Ich also da rein, und dann steh ich am Tresen und schaue wie alle zum Eingang, als ob da das Glück reinkäme. Da kommen Mädchen rein. Nie alleine und sehr viel Erwarten in den jungen Gesichtern.
    Nett kommen die rein, die Mädchen und die Jungens kommen rein wie zum Kämpfen. Die Beine breit, als wären da Muskeln, die ein Zusammentreffen des Fleisches verhin-dern. Sie sehen ins Nichts, die Jungen. Sie lächeln auch nicht und gehen direkt an die Bar und schwingen sich auf Hocker, als wären das Pferde. Sie spreizen die Beine, wegen der Muskeln, und stützen die Hände darauf. Die Daumen nach außen. Und dann gucken sie wieder ins Nichts, als war das die Prärie.
    In so einer Bar alleine zu sein ist, wie allein zu sein in einem fremden Land. Das Schweigen zieht mich nach innen, und da ist auch nicht mehr los.
    Neben mir kommt eine blonde Frau zum Stehen. Sie hat so ein Hängerchen an und einen Mittelscheitel und Span-gen in den Haaren. Die Frau beugt sich Über den Tresen und bestellt ein Kaltgetränk. Dabei kriecht eine Brust-warze aus dem Hängerchen. Die Frau läßt das ganz kalt.
    Sie hebt eine Augenbraue hoch, trinkt von dem Getränk und guckt. Da kommt dann auch schnell ein Mann. Er stellt sich dicht neben die Frau. Und fängt an, mit der Brust-warze zu sprechen: »Es ist warm.« »Hm«, sagt die Warze durch den Mund der Frau. Das Gespräch geht dann so weiter, und mich überkommen Trauer und Müdigkeit. Verfluchte
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