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Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot

Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot

Titel: Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot
Autoren: Sibylle Berg
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Nacht, die mich zwingt, aus meiner Wohnung zu gehen und in einer Bar dem Blödsinn fremder Menschen zuzuhören. Ich trinke was, um das nicht mehr zu hören, über den Schlucklauten. Ich trinke was und werde immer schwerer im Kopf, und vielleicht wäre es gut, jetzt einen Socken in ein leeres Glas zu stopfen oder der Frau zu sagen: Entschuldigung, aber Sie haben da eine Warze über Ihrem Kleid. Aber so was denk ich mir immer nur, und dann gehe ich schweigend weg. Ich also schweigend weg, und draußen ist ein ganz junger Regen. Eventuell wäre es gut, ziemlich weit weg zu sein. Am Swimming-pool des Oriental Hotels in Bangkok vielleicht, wo die Luft nach verschimmeltem Metall röche, und ich würde schwitzen und süße Mixgetränke trinken. Dann würde ich in ein eiskaltes, klimatisiertes Zimmer gehen und ein Buch lesen. Oder ich säße in Venedig, In so einem Cafe am Kanal mit Brackwasser und Tod in der Luft. Ich würde Latte Macchiato trinken. Und dann in ein stickiges Hotelzimmer gehen und ein Buch lesen. Es ist wohl so, daß ich überall gerne wäre, an einem solchen Abend, wo ich nicht bin. Ich bin da und laufe durch die Nacht wie etwas, was da nicht hingehört.
    Junge Menschen fahren in offenen Golfen an mir vorbei. Die Mädchen haben blonde Haare, die wehen, und die Jungens tragen Kappen, und alle lachen laut. Ich glaube aber, es ist schon O.K., nicht blond zu sein und dauernd lachen zu müssen. Ich lauf also weiter, und jetzt regnet es nicht mehr. Der Geruch nach dem Regen im Mai und die Nacht im Mai und vom Regen was an meiner Wange, das feucht ist und da runterläuft. Mich auf diese Wiese da drü-
    ben werfen, rumrollen, gegen die Nacht anrollen und die ganzen Wünsche. Von denen ich noch nicht mal weiß, wie sie heißen. Wie das wohl wäre, jetzt neben einer schönen Frau zu laufen. Einer die aussehen würde wie... und das fällt mir nicht ein, wie die aussehen sollte. Mir fallen nur Frauen ein, die nicht mehr meine sind, und wie ich neben denen durch solche Nächte gelaufen bin. Sie links, ich rechts und in jedem Fall ein Mißverständnis in der Mitte.
    Die Frau, die jetzt neben mir laufen sollte, müßte eine sein, die mir noch nie begegnet ist. Eine, bei der ich alles sagen kann, ohne daß ich es erklären muß und dadurch so schnell werde im Kopf, und alles geht, weil die Frau immer die richtigen Fragen stellt und die richtigen Antwor-teu gibt. Aber ich kann mir wirklich nicht vorstellen, wie so jemand aussehen sollte. Da gucke ich lieber die Tankstelle an. Irgendwann sollte wohl jeder mal so eine Tankstelle anzünden. Ich stelle mir vor, wie ich das machen würde. Das Streichholz irgendwie in die Zapfpistole und weglaufen. Dann in gutem Abstand an einem Baum lehnen und eine rauchen. Derweil würde die Tankstelle explodieren und hell brennen. Das würd ich mir dann ansehen, und ich hätte einmal in meinem Leben was richtig Großes gemacht. Ich lasse das im Moment, weil ich keine Streichhölzer habe und keine Ahnung, wie man sowas mit einem Feuerzeug anzündet. Meine Wohnung grinst, als ich komme. Verregnet und ohne Glück. Und als ich auf meinem Bett liege, sehe ich an der Wand die Lichter der Autos. Die Spuren machen, wie eine Schlange, die Phos-phor gefressen hat. Auf einmal ist es, als wenn eines die Augen zurechtschiebt, daß sie etwas erkennen, auf einem dieser blöden 3D-Bilder. Ich sehe, was die Nacht mir sagt:
    »Hör mal, sagt sie, es ist doch viel aufregender, auf Unbe-kanntes zu warten, als zu haben, was nie so sein wird, wie du es dir denkst, während des Wartens.« Und dann geht die Nacht schlafen, und das Summen der großen Stadt da draußen ist wie ein Lied, das eine Mutter oder jemand ähnliches mir singt, damit ich gut einschlafe.
    BETTINA steht auf
    Ich kenne diese Frauen. Ich habe kein Mitleid mit ihnen.
    Die Welt ist voll davon. Ich habe kein Mitleid mit der Welt.
    Ich kenne diese Frauen, und sie ekeln mich an, weil sie sich einem Kampf stellen, den sie nur verlieren können. Verlierer ekeln mich an. Alle Verlierer, diese Millionen Frauen, die jeden Morgen mit ihren schwachen, zitternden Frau-enbeinen aus dem Bett fahren. Durch ihr Zimmer wackeln.
    Aufrechtgehalten nur von ihrer Angst, sich in Richtung des Kampfplatzes schleppen. Die dünnen Frauenarme das Schlottern des Herzens fortführend, in eine Ecke ihres Zimmers tasten. Sich auf den Feind werfen, diese Frauen, in einem letzten Aufbäumen vermeintlicher Stärke. Die Türen zur Hölle aufreißen. Angesprungen werden von Kröten
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