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Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot

Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot

Titel: Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot
Autoren: Sibylle Berg
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Traum, daß es mir sehr gut ging, beim Erwachen. Das Gefühl hielt den ganzen Tag. Es war, als wär ich wirklich verliebt. Gegen Abend wurde es schwächer und ich ein bißchen traurig, als ich in den Speisesaal kam und all die alten Schachteln sah, dachte ich, es war halt doch nur ein Traum. Und dann guckte ich so rum, und auf einmal sah ich ihn. Ein Mann saß da. Ein Neuzugang, wie sich das Personal ausdrücken würde. Und ich weiß, daß es bescheuert klingt, aber der sah aus wie Philippe Noiret, nur daß er eine Armprothese hatte. Ich bekam sofort Herzklopfen. Also, das hatte aber nichts mit der Prothese zu tun. Und hab ihn wohl ziemlich angestarrt.
    Weil, nach dem Essen kam er zu mir. Er also zu mir hin und mich angesprochen. Wir sind dann noch raus in den Garten und haben lange auf einer Bank gesessen und geredet. Als ich in mein Zimmer ging, habe ich mich gefühlt wie als junges Mädchen. Ich konnte lange nicht einschlafen. Ich glaube, es war der schönste Tag seit Jahren.
    TOM liegt im Bett
    Ich bin was über 30. Ich liege in meinem Bett und auf mir liegt meine Elch-Wärmflasche. Neben meinem Bett steht ein Buch. Aufgeschlagen. Der Mond draußen macht das Ohr von dem Hasen in dem Buch glänzen. Ich bin müde.
    Vielleicht weil ich älter werde, und wann, eigentlich, kommen Männer in die Midlife-Krise?
    Ich ziehe Sachen an, in denen ich mich ruhig bewegen muß. Eigentlich müßte ich jetzt auch schon Steuern zahlen. Da kommen Umschläge von der Bank und vom Fi-nanzamt. Ich verbrenne die. Manchmal fliege ich irgendwohin und übernachte in Hotelzimmern. Dann springe ich jedesmal mit Schuhen auf dem Bett rum und räume die Minibar leer. Da tue ich Kissen rein. Nicht, daß mir so was groß Spaß machen würde, aber da ist so eine Ver-pflichtung. Erwachsen sind die mit 40. Die erkenne ich von weitem. Die Leute, die so alt sind wie ich, wissen alle nicht, wie das geht, mit dem Leben.
    Weil es cool ist, versuchen alle viel Geld zu verdienen. Das geben sie für Spielzeug aus. Für Snowboards, Klamotten und Autos. Ich auch. Wenn mein Kühlschrank voll ist mit Essenssachen, sehe ich mir das immer wieder an. Manchmal mache ich auch ein Polaroid von dem vollen Kühlschrank. Volle Kühlschränke sind ein zwingendes Indiz für Weisheit. Meine Wohnung ist teuer. Sie hat viele Zimmer, in denen nichts steht. Große Möbel machen mir angst. So endgültig sind Möbel.
    Ich liege immer nur in einem kleinen Raum auf einer Matratze. Gerne sehe ich fern und esse dabei Kartoffelbrei.
    Tags gehe ich arbeiten. Ich mache wichtige Gesichter. Sage wichtige Sachen und muß manchmal lachen. Einfach aufs Klo gehen und lachen, weil ich meine Rolle so gut spiele.
    Die Kollegen, die ich habe, sind so alt wie ich. Sie tragen Anzüge und reden in Meetings über wordings, locations und motivationale Schubkraft. Wenn sie nicht arbeiten, fahren sie mit ihren schnellen Autos, mit Schaltung und so, weil das sportlich ist. Sie springen mit Fallschirmen herum und fahren Ski auf dem Wasser. Frage ich sie, wozu sie auf der Welt sind, dann erzählen sie was von Geld, Freiheit, Spaß und später Familie. Später, Wenn wir erwachsen sind. Ich liege in meinem Bett und auf einmal scheißt mich alles an. Ich liege in meinem Bett und glaube, ich werde morgen aufstehen und ein neues Leben anfangen.
    Echt. Ich glaub, das mach ich.
    BETTINA fährt Taxi
    Ich bin durcheinander. Ich bin in ein Taxi gestiegen und hab gesagt: zum Bahnhof. Dann fuhr es los, und ich merkte, so nach 10 Minuten, daß irgendwas nicht richtig ist. Dann hatte ich eine Idee. Ich sagte dem Taxifahrer; äh, lieber doch zum Flughafen. Der Fahrer guckte mich an.
    In seinem Blick war ein wenig Angst. O. K. Ich habe dann gemerkt, daß Flughafen der Sache, von der ich immer noch nicht wußte, um was es sich handelt, näherkommt.
    Na, dann war ich am Flughafen. Immer noch keine Ahnung. Ich ging dann zu dem Schalter, wo immer Tickets hinterlegt werden, und betete still. Die Frau lächelte und gab mir ein Ticket nach Düsseldorf. Und dann fiel es mir wieder ein. Ich sollte da ein Konzert von so einer Scheiß-
    Band besuchen. Das war echt gut, daß mir das wieder einfiel. Es ist Freitag. Ich war in den letzten beiden Wochen in Paris, in London und Berlin. Ich meine, da kann ich ja schon mal durcheinanderkommen, und jetzt fliege ich nach Düsseldorf. Ich hasse Konzerte. Es gibt keinen über-raschenden Grund, warum das so ist. Ganz normale Platz-angst. Ich habe vielleicht zuviele Horrorfilme gesehen. Ich mag
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