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Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot

Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot

Titel: Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot
Autoren: Sibylle Berg
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diesem Schaufenster geht.
    VERA sitzt auf dem Balkon
    Vera und Helge sind verheiratet. Schon lange. Wissen sie eigentlich gar nicht, warum.
    Sie sitzen draußen, auf dem Balkon. Es ist ein Sommer-abend. Die Luft fleischwarm und macht im Menschen das Gefühl, daß er etwas unternehmen müßte, in dieser Nacht, das ihr gerecht wird, in der Aufregung, die sie verursacht.
    Was kann ich machen, mit so einer schönen Nacht, denkt sich Vera und weiß keine Antwort. Und eigentlich auch keine Frage. So eine Nacht ist eben eine Nacht. Die will gar nichts gemacht kriegen. Vera sieht Helge an. Der sitzt neben ihr und ist tausend Gedanken entfernt.
    Sie würde gerne rübergehen, zu ihm. Aber sie weiß nicht wie. Sie schaut in den Himmel und sucht dort den Satz.
    Der alles ändert. Ein Satz nur. Himmel, schenk mir einen.
    Der Himmel bleibt stumm und schön, und Wunder gibt es eben nicht. Wunder muß es aber geben, denkt Vera und guckt stur in den Himmel. Und dann guckt sie zu Helge rü-
    ber und der guckt geradeaus. Helge trinkt Bier.
    »Helge...« Helge trinkt Bier.
    »Ein schöner Abend.«
    Helge bleibt stumm, und Vera könnte gut tot umfallen.
    So leer fühlt sie sich an und weiß gar nicht, warum sie noch hier sitzen soll, oder aufstehen, oder weiterleben. Der Himmel ist ein Verräter, und einen Gott gibt es nicht. Vera nimmt ihre Hand und legt sie auf die von Helge. Da liegt sie dann so. Helges Hand bewegt sich nicht.
    Sie fühlt, daß ihre Hand weglaufen möchte. Sie mag das schwitzige Ding nicht anfassen müssen. Nichts ist peinlicher als eine Hand, die man anfaßt und die sich nicht bewegt, denkt Veras Hand, sondern nur atmet. Vorlauter Widerwillen laut atmet. Das denkt sich Veras Hand so, und Vera selbst schämt sich und nimmt ihre Hand weg, um sich eine Strähne aus dem Gesicht zu wischen. Sie steht auf und geht in die Küche. Der Abwasch steht noch da. Vera bin-det sich die Schürze um. Sie wäscht ab und überlegt sich, was sie morgen ins Büro anziehen soll. Dann fällt ihr ein, daß Nora bald Geburtstag hat, und sie schüttelt den Kopf.
    Es gibt doch wirklich wichtigere Sachen als so einen blö-
    den, warmen Abend und eine Hand, die nicht von ihr angefaßt werden will.
    NORA ist weggefahren
    Ich bin weggefahren. Ans Meer. In meinem Alter kann man alleine ans Meer fahren. Wenn ich zurückkomme, werde ich von zu Hause ausziehen. Vielleicht komme ich auch gar nicht zurück. Ich rede mit niemandem mehr. Zu Hause nicht und hier auch nicht. Ich habe einen Schlafsack. Es ist ziemlich kalt. Den ganzen Tag laufe ich, und abends lege ich mich in den Schlafsack. Ich rede mit niemandem.
    Das Meer ist langweilig. Es bewegt sich nur. Das Geld ist fast alle. Ich brauche auch kaum Geld.
    Ich esse nichts. Ab und zu esse ich Äpfel. Aber von denen wird mir inzwischen schlecht. Mir wird schlecht, wenn ich irgendwas Fremdes in mir habe. Vor ein paar Tagen bin ich mit einem Jungen mitgegangen, der hier wohnt. Wir waren in seinem Zimmer. Das war total staubig, und überall standen voll häßliche Pokale rum. Und dann hatte er ein Poster von so einer dicken Frau an der Wand. Pamela An-derson. Eigentlich hätte ich da schon wieder gehen sollen, wenn einer so dicke Frauen gut findet. Aber ich bin geblieben, weil er sich schon ausgezogen hat, und ich nicht wußte, wie ich sagen soll, daß ich doch besser gehe. Ich bin mitgegangen, weil ich dachte, es wäre ganz gut, in einem Bett zu schlafen, und weil ich sowieso keine Idee hatte, wo ich hingehen sollte. Weil es egal ist, wo ich hingehe. Der Junge hat mich nicht groß angefaßt. Wir haben nicht geredet. Ich weiß nicht, worüber ich mit einem Jungen so reden soll. Er hat es gemacht. Als er schlief, bin ich wieder weggegangen. Draußen war es noch ganz still. Ganz früh morgens in so einem kleinen Kaff am Meer. Ich dann so durch die leeren Straßen.
    Ich laufe. Wenn ich mich nicht bewege, dann sitze ich da und muß nachdenken, und dann habe ich das Gefühl, ich kann die Gedanken nicht im Kopf festhalten. Wenn ich mich bewege, ist es O.K.
    Aber ich muß schnell gehen. Wenn mich Leute ansehen, sehe ich weg.
    Ich war in einem Tierheim. Ich wollte einen Hund haben.
    Einen kleinen Hund. Ich dachte mir, es wäre schön, wenn er neben mir herlaufen würde. Ich könnte abends ein La-gerfeuermachen und Mundharmonika spielen. Der Hund hätte seinen Kopf auf meinen Beinen und würde mir zuhören. Und dann würden wir zusammen in den Schlafsack gehen, und ich würde sein Herz schlagen hören.
    Da war auch
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