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Ein Ort zum sterben

Ein Ort zum sterben

Titel: Ein Ort zum sterben
Autoren: Carol O'Connell
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Louis?«
    Jetzt horchte sie auf. Ja, sie war sehr böse.
    »Er war ein guter Cop«, sagte sie. »Wenn ein Cop draufgeht, dann deshalb, weil er leichtsinnig war. Wie konnte er das tun?«
    »Wie konnte er dir das antun, meinst du. Louis hat sich wegen deines Jobs in der Sonderkommission immer Sorgen gemacht. Das wußtest du nicht? Gewiß, du hast dich immer mehr für Maschinen als für Menschen interessiert, aber trotzdem … Er war unheimlich stolz auf dich. Meine clevere Tochter, hat er gesagt. Aber die Leute, mit denen er zu tun hatte, waren so gefährlich. Er wußte, worauf er sich einließ. Ich glaube, er hat auch gewußt, daß es so enden würde.«
    »Ich krieg das Schwein.«
    »Deine Stärke ist der Computer, Kathy. Die praktische Arbeit solltest du anderen überlassen. Ihm lag deine Sicherheit am Herzen. Er wollte dich nicht in die Sache hineinziehen. Versprich mir, daß du die Finger davon läßt. Ein letztes Geschenk für Louis.«
    Sie lehnte sich zurück und kreuzte die Arme über der Brust, als wollte sie sagen: Jetzt kommen wir der Sache schon näher. »Das hat Markowitz also alles rausgelassen? Interessant.«
    »Wir haben uns nur unterhalten. Über dieses und jenes.« Ihr Lächeln war ihm nicht geheuer. Das Armageddonlächeln, so hatte Louis es genannt. »Ich war nicht nur sein Rabbi. Ich war sein ältester Freund.«
    »Und Sie wollen mir helfen? Ich nehme Sie beim Wort, Rabbi. Wenn das nicht nur leere Versprechungen sind, müssen Sie ausspucken, was Sie wissen.«
    Die Kälte kroch durch den leichten Stoff seiner Jacke. Ihre Augen verengten sich, ein weiteres Alarmzeichen. Unglaublich, dieser Gegensatz: ein Engelsgesicht mit Killeraugen.
    »Was hat Louis Ihnen über die Morde im Gramercy Park erzählt?«
    »Er würde wiederkommen und mir die Zunge rausschneiden, wenn ich dich in dieses Schlamassel hineinschlittern ließe.«
    Sie beugte sich unvermittelt vor, und er rückte – körperlich und gedanklich verunsichert – von ihr ab. Als sie aufstand und dichter an ihn herantrat, vergaß er, daß er größer war als sie.
    »Schön, dann muß es eben auch so gehen. Ohne Rückhalt, ohne Hilfe. Ich hab mir ja gleich gedacht, daß Sie nur leere Luft ablassen …«
    »Geschenkt, Kathy. Abgemacht ist abgemacht, wie Louis sagen würde. Aber etwas Konkretes hat er mir nie erzählt. So gewunden, wie er sich ausgedrückt hat, hätte er sogar in meinem Beruf was werden können. Die Spuren führten in die Irre und auch wieder nicht, hat er gesagt, der Fall sei kompliziert und simpel zugleich. Hilft dir das weiter, Kathy?«
    »Sie verschweigen mir etwas.« Sie setzte sich wieder und rückte nah an ihn heran. »Er wußte, wer es war …«
    »Gesagt hat er es nicht.«
    »Aber er wußte es.«
    »Er hat gesagt, daß man diesen Spinner nur bekäme, wenn man ihn auf frischer Tat ertappt. Weil es ein unheimlich cleverer Typ ist. Ausgefuchster als Louis, vielleicht sogar ausgefuchster als du.«
    »Warum hat Markowitz all das Ihnen und nicht mir erzählt?«
    »Du weißt doch, wie Eltern sind. Irgendwann nabeln sie sich ab. Bilden sich ein, alles zu wissen, keinen Rat mehr zu brauchen. Melden sich einfach nicht mehr. Als ob ihnen mit einem Anruf ein Zacken aus der Krone fallen würde. Da schenkt man den Eltern die besten Jahre seines Lebens, und das ist nun der Dank: Sie stürzen sich in die Schrecknisse der bösen Welt, ohne die Kinder daran teilhaben zu lassen.«
    »Das kann noch nicht alles sein. Raus damit, Rabbi. Warum hat er ihn selber beschattet? Warum hat er keinen von unseren Leuten dafür abgestellt?«
    »Der Fall machte ihm angst, Kathy. Der Täter ist kein normaler Mensch, sondern einer von der Nachtseite des Lebens. Markowitz fürchtete um seine Leute.«
    »Das überzeugt mich nicht, Rabbi.«
    In den blinkenden Schubfächern sah er ihr Spiegelbild. Bei jeder Bewegung verzerrten die schrägen Flächen ihr Gesicht zu einer Fratze. Er mußte den Blick abwenden.
    »Hast du gewußt, daß Louis ein Tanznarr war?«
    »Rabbi!«
    »Geduld, Kathy! Er tanzte so gern. Aber es gab keine tanzenden Juden in seiner Familie. Sie waren alle konservativ bis in die Knochen, unheimlich fromm, es war gar nicht so einfach für ihn. Louis tat sich mit den jungen Iren zusammen, und sie gingen tanzen. Eines Abends – wir waren noch jung, zwei andere Menschen aus einer anderen Welt – nahm Louis mich in einen Nachtklub mit. Es ist eine dieser Erinnerungen, die ganz tief sitzen – so wie die Nacht, in der mein erstes Kind zur Welt kam.
    Wie
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